Emmas Story
Lunte riechen, wenn Armin den Mund aufmacht. Nicht schwul aussehen, das geht ja noch. Aber nicht schwul sprechen … das wird er nicht packen.«
»Hannelore«, sage ich zaghaft. »Es ist nicht so, dass mir Armin egal wäre. Die ganze Geschichte macht mir auch ziemliche Sorgen. Aber ehrlich gesagt, hatte ich gehofft, dass du mir einen Rat geben könntest in Bezug auf Lu. Ich weiß nämlich nicht, was ich jetzt machen soll mit ihr.«
»Mit ihr?«, grinst Hannelore. Falls irgendjemand der Meinung ist, eine Frau über siebzig könne nicht mehr lüstern aussehen, muss ich ihm scharf widersprechen. »Ich wüsste schon …«
»Hannelore!«, flehe ich.
Sie räuspert sich. »Was soll ich dir denn sagen, Emma, was du nicht sowieso schon selbst weißt? Du wolltest lange nicht sehen, was offensichtlich war. Jetzt kannst du nicht mehr dran vorbeigucken. Und nun musst du – und zwar ganz allein – herausfinden, was du machen willst. Ich brauche es ja nicht zu wiederholen: Wenn ich ein paar Jahre jünger wäre …«
»Aber Frauke«, beginne ich, doch sie fällt mir ins Wort: »Für Frauke und dich gilt genau dasselbe. Das sieht doch jede halbwegs sensible Frau, dass sie auch nicht ganz cool bleibt, was dich angeht. Aber bevor du dich um so etwas kümmerst, musst du dir erst mal klar werden, ob du überhaupt bereit wärest, dich in eine Beziehung zu mischen. Obwohl sich das ja vielleicht auch in Kürze erledigt haben könnte …«
»Was?«, horche ich auf.
Hannelore zupft sich einen imaginären Fussel von der Bluse. »Kurz bevor du gekommen bist, sind deine Lu und Antonie wieder abgezwitschert. Sie waren vorhin hier als ich kam. Und ich hatte den Eindruck, dass sie sich ziemlich gut … amüsieren.«
Hannelores Blick huscht zu Natascha und ihrer Flamme hinüber, die sich über den CD s viel sagende Blicke zuwerfen.
»Willst du mir damit sagen, dass Lu und Antonie geflirtet haben?«
»Sah so aus, ja.«
In meiner Magengegend beginnt etwas aufgeregt zu flattern.
Wenn Lu mit Antonie flirtet und Antonie mit Lu flirtet und die beiden nun schon wieder miteinander unterwegs sind … was bedeutet das dann?
»Frag mich bloß nicht, was das bedeutet«, winkt Hannelore ab. »Ich bin eine alte Frau, die nur noch am Rande am Leben teilnimmt. Derartige Verwicklungen gab es früher zwar auch, aber das ist so lange her … ich weiß nicht mehr, woran man erkennt, wann es wirklich ernst wird.«
* * *
Mein Heimweg ist viel länger als sonst.
Vielleicht kommt mir das ja auch nur deswegen so vor, weil ich an jeder Schaufensterauslage stehen bleibe und lange hineinstarre.
Erst als ein paar Jugendliche kichernd an mir vorbeistreifen und mir bewusst wird, dass ich gerade intensiv die Auslage eines Sanitätshauses begutachte, klemme ich meine Tasche energisch unter den Arm und beeile mich, nach Hause zu kommen.
Vielleicht hatten sie sich nur auf einen kleinen Schluck Kaffee im Yellow verabredet oder sich sogar zufällig getroffen. Vielleicht ist Antonie längst wieder bei Frauke, und die beiden liegen bereits kuschelig unter einer Decke. An was anderes will ich erst gar nicht denken.
Ich laufe durch meine Wohnung. Vom Wohnzimmer in die Küche, ins Schlafzimmer, ins Wohnzimmer und in die Küche. Der Blick zur Uhr sagt, dass es schon spät ist. Eigentlich Zeit, schlafen zu gehen. Zeit, endlich auszuruhen und die Gedanken …
Die Gedanken zum Schweigen zu bringen.
Hannelore ist eine ignorante, aber weise alte Frau. Und Armin ist ein Spinner.
Ich greife zum Telefon und wähle.
»Hallo?«, meldet sich die mir sehr vertraute Stimme.
»Hallo. Ich bin’s, Emma. Ich hoffe, ich habe dich nicht geweckt?«
»Oh, nein, ich sitz hier allein auf dem Sofa rum und lese ein bisschen. Da kommt mir ein Anruf von dir gerade recht«, sagt Frauke.
* * *
Karl Hannemann ist ganz anders, als ich erwartet habe. Er ist kein postpubertärer Craig, der Kaugummi kauend und mit Baseballmütze hereinscharwenzelt. Nein, er ist etwa Mitte Vierzig, trägt ein ordentlich gebügeltes Hemd, dem jedoch der oberste Knopf fehlt, und auf dem Kopf trägt er nichts, nicht einmal Haare.
Ich erkläre ihm, welche Symptome mein Rechner gezeigt hat und was ich unternommen habe.
Er nickt fachmännisch, setzt sich an meinen Schreibtisch und tippt drauflos. Der Computer gibt Geräusche von sich, die ich ihm noch nie entlocken konnte. Auf dem Bildschirm erscheinen Oberflächen, die mir vollkommen unbekannt sind. Karl Hannemann begleitet sein geheimnisvolles Tun mit einem hin und
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