Emmas Story
krampfhaft vermeiden würden.
Damals war ich immerhin schon Anfang zwanzig und hatte gerade Armin in der Coming-Out-Gruppe der Queer-Organisation der Stadt kennen gelernt. Wenn ich ihn und seinen Zuspruch nicht gehabt hätte, hätte ich es meinen Eltern wahrscheinlich heute noch nicht gesagt.
»Vorausgesetzt du wärest in sie verliebt gewesen«, sagt Armin mit erhobenem Zeigefinger, mit dem er mich daran hindern will, ihn wieder zu unterbrechen. »Wäre es dann nicht total logisch gewesen, wenn du aus lauter Panik vor einer Offenbarung vor deinen Eltern und Freundinnen und überhaupt der ganzen Welt … also, wenn du dann – anstatt mit Lu eine wunderbare Teenagerromanze zu erleben – aus ihr eine Art Feindin gemacht hättest?«
»Weißt du was, Armin?«, sage ich und wende mich zur Tür. »Die Aussicht auf eine Woche Rolf hat dir den Verstand vernebelt. Du spinnst!«
* * *
Ich muss unbedingt mit jemandem reden, der sein Hirn nicht hormonell bedingt vorübergehend abgeschaltet hat!
Im Yellow treffe ich wie erwartet Hannelore, die an der Theke auf einem Barhocker sitzt und mit Natascha flirtet.
Neben ihr thront eine der drei Frauen, die neulich schon ihr Misstrauen gegen mich gerichtet hatten. Doch mittlerweile scheint sie ihrem Ziel näher gekommen zu sein, denn Natascha bezieht sie gerade auf sehr reizende Weise in ihr Gespräch mit Hannelore ein, als ich dazustoße.
Ich lächele sie alle drei unverbindlich an und lege Hannelore eine Hand auf die Schulter.
»Kann ich dich mal kurz sprechen?«
Meine Freundin genießt offensichtlich, mitten in diesen Strudel von Flirtereien und Neckereien geraten zu sein und möchte sich daraus nicht so gern entfernen. Sie wirft einen bedauernden Blick zu Natascha, die ihr zublinzelt. »Ich kann ja Dana währenddessen mal zum Musikprogramm des Abends befragen. Dana, hast du Lust, rumzukommen und dir mal anzusehen, was wir hier alles im Angebot haben?«
Dana huscht geschwind von ihrem Hocker und verschwindet nur zu gern mit Natascha in der Musikanlagen-Ecke.
»Was gibt es denn?«, wendet Hannelore sich an mich und nimmt sich eine Salzstange.
»Ich war gerade bei Armin und hab ihm das alles auch schon erzählt. Aber er konnte mir nicht helfen, ist sozusagen – und hoffentlich nur vorübergehend – unzurechnungsfähig …«, beginne ich.
»Warum ist er nicht mit hier?«, will sie wissen.
»Er packt. Er fliegt morgen mit Rolf in den Familienurlaub nach Mallorca. Rolfs Frau muss bei dem kranken Kind bleiben, und der Urlaub kann nicht mehr storniert werden. Offiziell ist Armin ein Arbeitskollege. Aber darum geht’s jetzt doch gar nicht … es geht um Lu…«
Auch Hannelore bekommt nun also en detail geschildert, wie die gestrige Begegnung zwischen Lu und mir verlaufen ist.
Ich lasse wirklich nichts aus. Es ist mir wichtig, was meine älteste und weiseste Freundin zu diesem Dilemma meint.
»… und deswegen glaube ich, dass ich im Grund doch jetzt nur noch den Kontakt zu ihr meiden kann. Wie soll denn eine wie auch immer zu definierende Freundschaft oder Bekanntschaft laufen, wenn eine jahrelange, unerwiderte und unausgesprochene Liebe im Raum steht«, schließe ich letztendlich und klinge derart überzeugend, dass ich selbst zu meinen Worten nicke.
Hannelore hat meinen Worten die ganze Zeit gelauscht, ohne mich ein einziges Mal zu unterbrechen.
Jetzt bewegt sie ihre dezent geschminkten Lippen wie bei einer Anti-Falten-Gymnastikübung und blickt sinnierend vor sich hin.
Dieses Gesicht kenne ich. Sie denkt angestrengt nach. Ich bin wirklich gespannt, was sie sagen wird.
»Sie wird ihn kennen lernen wollen«, murmelt sie schließlich.
»Wie?« Ich lege eine Hand hinters Ohr. Die Musik ist offenbar zu laut, ich habe sie wohl nicht richtig verstanden.
»Sie wird wissen wollen, wer er ist. Schließlich ist es schon merkwürdig, dass irgendein Arbeitskollege, von dem sie noch nie gehört hat, mit ihrem Mann in Urlaub fliegen will, oder? Also, ich an ihrer Stelle würde mich da sehr wundern.«
Ich brauche einen Moment, um zu begreifen, dass sie von Armin, Rolf und dessen Ehefrau Karin spricht.
»Und vielleicht kommt ihr auch ein Verdacht. Der wird sich aber natürlich erst mal auf eine andere Frau beziehen. Doch genau deswegen wird sie diesen vermeintlichen Arbeitskollegen kennen lernen wollen. Und dann wird’s eng. Kannst du dir unseren Armin vorstellen, wie er ein nettes kleines Abendessen bei Rolf und seiner Frau durchhält? Außerdem wird sie spätestens dann
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