Emotionen. Gefühle literarisch wirkungsvoll einsetzen
Leser anzusprechen, muss Wut nicht drastisch und direkt ausgesprochen werden. Man kann Anteilnahme, Empörung und Zorn auch allein durch die Beschreibung beispielsweise von Unrecht, mitleidlosem Verhalten oder unmenschlichen Verhältnissen erreichen.
Anregung
Was macht Sie wütend, was bringt Ihre Freunde zu Wutausbrüchen? Schreiben Sie einen Text, der Ihre Wut direkt ausspricht. Benutzen Sie den Imperativ (Befehlsform), verwenden Sie Ausrufezeichen!
Danach versuchen Sie einen Text zu schreiben, in dem Sie Ihre Wut indirekt darstellen. Schreiben Sie eine Geschichte über ein Unrecht, das nicht gesühnt wird. Fragen Sie sich, was Ihre Leser empfinden. Lesen Sie Ihren Text anderen vor!
Ekel
Ekel ist verbunden mit Abscheu und Widerwillen, oft als Reaktion auf etwas, das unseren Geruchs- und Geschmackssinn oder dem ästhetische Empfinden unerträglich ist. Im biologischen Sinne kann Ekel eine Reaktion auf Vergiftetes, Fäulnis und Verwesung sein.
In der Literatur wird Ekel als Stilmittel mit herangezogen, um Phänomene wie Vergeblichkeit, Überdruss, Isolierung, Hoffnungslosigkeit zu beschreiben. Die literarische Darstellung des Ekels findet sich besonders im Werk von Franz Kafka, der wenige Worte oder Erklärungen braucht, um eine Situation darzustellen, die wir als ekelerregend empfinden. Es hinterlässt einen Eindruck von Sterblichkeit. Bei Kafka liegt der Ekel nicht in großen Worten oder einem naheliegenden Ekel vor Exkrementen, Eiter oder Kadavern, sondern der Ekel zeigt sich in seinen Beschreibungen, die spitzfingrig sind, so, als könne man die Dinge nur mit der Zange anfassen.
1938 erschien von Jean-Paul Sartre der Roman Der Ekel als Tagebuch des fiktiven Geschichtsforschers Antoine Roquentin. In einer Passage darin schildert er, wie Roquentin sich mit einem »Humanisten« unterhält, der ihn davon überzeugen will, er liebe die Menschen. Roquentins heftiger Widerwille entwickelt sich im Laufe des Dialogs:
»Man muss die Menschen lieben. Die Menschen sind bewundernswert. Ich möchte kotzen – und mit einem Schlag ist er da: der Ekel.
Eine richtige Krise: Das schüttelt mich von oben bis unten. Seit einer Stunde sah ich sie kommen, nur wollte ich es mir nicht eingestehen. Dieser Käsegeschmack in meinem Mund … Der Autodidakt plappert, und seine Stimme summt leise an meinen Ohren.«
Roquentins Ekel wird aber weniger durch den Käse als durch die Verlogenheit seines Gegenübers ausgelöst.
Sartres »Ekel« gilt als Schlüsseltext für den Existentialismus und impliziert die Erkenntnis, dass alles um uns herum einfach da ist, dass es gleichgültig ist, ob es unangenehm ist oder schön, und dass wir ihm nicht ausweichen können. Sein Ekel entsteht, weil er die Menschen und Gegenstände illusionslos und unbarmherzig realistisch betrachtet.
Ein bekanntes Werk der neueren Literatur, das den Ekel geradezu zum Mittelpunkt des Romans macht, ist Das Parfüm von Patrick Süskind (1985), das 2006 verfilmt wurde. Die Wahrnehmung der Leser soll sich ganz auf den Geruchssinn konzentrieren – der historische Schauplatz unterstützt die Absicht, da mit einem solchen Hintergrund kaum Wohlgerüche kaum zu erwarten sind:»
»Hier nun, am allerstinkendsten Ort des gesamten Königreiches, wurde am 17. Juli 1738 Jean-Baptiste Grenouille geboren. Es war einer der heißesten Tage des Jahres. Die Hitze lag wie Blei über dem Friedhof und quetschte den nach einer Mischung aus fauligen Melonen und verbranntem Horn riechenden Verwesungsbrodem in die benachbarten Gassen.«
Hier wird der Widerwille als Instrument eingesetzt.
Die Assoziationswörter des Ekels sind eindeutig: faulig, quetschen, stinken. Und in der nächsten Zeile geht es gleich weiter:
»Grenouilles Mutter stand, als die Wehen einsetzten, an einer Fischbude in der Rue aux Fers und schuppte Weißlinge, die sie zuvor ausgenommen hatte.«
Die Vorstellung von toten Fischen, Tierkadavern aller Art, von Eingeweiden (in der sengenden Sommersonne) verstärken die Ekelgefühle. Süskind komprimiert hier die Ekelauslöser in einer Weise, die grotesk wirkt. Spielerisch werden die Ekelfaktoren mit den negativen Seiten der Menschen verknüpft: Der Protagonist Grenouille, dessen Begabung die sensible Unterscheidungsfähigkeit von Gerüchen ist, hetzt als Getriebener durchs Leben und wird durch seine geniale Fähigkeit zum Einzelgänger und besessenen Mörder.
Es gibt natürlich auch unterhaltende Varianten des Ekels, die fast spielerisch Gruselgefühle einsetzen wie in der
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