Emotionen. Gefühle literarisch wirkungsvoll einsetzen
hätte nachgesehen, und in Kürze wäre der Schaden behoben gewesen. Aber jetzt! Ich war dreiunddreißig Jahre alt und der defekte Kühlschrank überforderte mich.«
Anregung
Stellen Sie sich einen Menschen vor, der trauert. Was ist der Grund für seine Trauer, was hat sie in diesem Augenblick ausgelöst? Schildern Sie sein physisches Befinden, wie reagiert sein Körper auf den Verlust? Wie wirkt die Umgebung auf ihn, was ist anders als früher? Haben Gegenstände eine besondere Bedeutung für ihn? Womit beschäftigt er sich? Beginnen Sie mit den Worten: Als die Trauer ihn (oder: sie) überwältigte …
Wut
Wut und Zorn richten sich nach außen. Texte, die Wut und Zorn thematisieren, können buchstäblich verletzen wie ein Faustschlag. Ein Wutgedicht zu schreiben, kann befreien: Man schreibt sich Zorn und Ärger von der Seele, versucht eine poetische Schimpfkanonade. Die Sprache der Wut ist aufgeladen mit Aggression und Abwehr, mit Angriff und Gegenwehr. Zum Vokabular der Wut gehören Wörter wie hassen, zerstören, vernichten, kaputtmachen, angreifen.
In folgendem Textauszug aus Rolf Schneiders Roman Das Glück (1974) ist die latente Aggression der Protagonistin Hanna gegen ihre Lebensumstände spürbar: »Sie kam aus einem zerbröckelnden, stinkenden, ungeordneten Zuhause. Sie musste sich um eine Schar kleiner ungewaschener Kinder kümmern, ihre Halbgeschwister. Das erschöpfte sie … Jeden Nachmittag, an dem sie sich davonstahl, raubte sie ihren Geschwistern. Sie war eigennützig. Sie hasste ihr Zuhause. Sie war ratlos. Sie war gierig.«
In der deutschen Nachkriegsliteratur der 50er- bis 70er-Jahre hat politische Wut einen festen Platz. Das hat Werner Brettschneider in seinem Buch Zorn und Trauer (1981) herausgearbeitet. Die Auswirkungen des Krieges mit ihren bis in die Gegenwart hinein erkennbaren Folgen werden in der Literatur häufig angesprochen. Dabei bewegt die Schriftsteller besonders die Frage nach Schuld und Verantwortung der nachwachsenden Generation. In dem Gedicht »landessprache« von Hans Magnus Enzensberger, das sich an das geteilte Deutschland richtet, ist die Wut auf die deutschen Verhältnisse durch Wörter wie »geschiedene«, »verrufen« und vor allem durch den Schlussausruf eindeutig herauszuhören.
»…meine zwei länder und ich, wir sind geschiedne leute,
und doch bin ich inständig hier,
in asche und sack, und frage mich:
was habe ich hier verloren?«
Hässlich, ungeordnet, unausgewogen, uneben, stechend, voller Reibungen – solche Adjektive passen zu einer Atmosphäre, in der sich Wut und Zorn darstellen lassen. Hans Magnus Enzensberger schrieb über eine Sprache, die dem Zornempfinden angemessen ist: »Zwischen Hyperbel und Andeutung, Übertreibung und Understatement, Ausbruch und Ironie, Raserei und Kristallisation, äußerster Nähe zum glühenden Eisen des Gegenstandes und äußerster Entfernung von ihm fort zum Kältepol des Bewusstseins ist die Sprache einer unausgesetzten Probe zu unterziehen.«
Das Gedicht »Adolf Hitler ganz allein« von Kurt Bartsch aus dem Jahr 1984,von dem wir einen Auszug abdrucken, findet sich in einem Sammelband von Hilde Domin und Clemens Grewe. In dem Gedicht wird die Wut über die blinde Gefolgschaft der Deutschen gegenüber Hitler ausgedrückt:
»Adolf Hitler ganz allein
Baute er die Autobahn
Keiner trug ihm einen Stein
Keiner rührte Mörtel an.
(…)
Keiner hat es kommen sehn,
Jeder hielt sich ferne.
Alle ließen es geschehn,
Aber, ach, nicht gerne.
Adolf Hitler, ganz allein
Musste sich erschießen.
Außer ihm hatte kein Schwein
Einen Grund, zu büßen.«
Ein knappes Versmaß, eine knappe Sprache, Bilder aus dem alltäglichen Leben suggerieren hier Harmlosigkeit und Spott, tatsächlich aber spricht aus ihnen Sarkasmus und Zorn. Die Zeile »Aber, ach, nicht gerne« zeigt unverhohlene Verachtung gegenüber den Mitläufern. Die Wendung »außer ihm hatte kein Schwein einen Grund, zu büßen« zeigt Emphase. Durch die Umkehrung von Gesagtem und Gemeintem wird zugleich angedeutet, dass die lockere Form des Gedichts im Gegensatz zur Schwere des Ausgesagten steht. Knappheit, Kürze, Expressivität sind geeignete sprachliche Mittel, um Wut zum Ausdruck zu bringen.
Allerdings: Die Aufzählung von Appellen macht noch kein Gedicht. Auch Hans Magnus Enzensberger hat auch vor politischen Zweckgedichten gewarnt: »Das Gedicht spricht mustergültig aus, dass Politik nicht über es verfügen kann: Das ist sein politischer Gehalt.«
Um den
Weitere Kostenlose Bücher