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Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Titel: Empfindliche Wahrheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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Strikt nach den Regeln gespielt. Hat an seinen Parlamentsabgeordneten geschrieben, an sein Regiment – und an euch hier im Zweifelsfall ja wohl auch«, schloss er anklagend.
    »Ja, ich weiß, das ist alles sehr schmerzhaft und sehr ungerecht«, stimmte Lionel zu und strich sich mit der flachen Hand zart, wie zum Trost, über das graue Kräuselhaar. »Und ich kann, glaube ich, guten Gewissens behaupten, dass wir über die letzten Jahre hinweg einiges an Zeit und Mühe investiert haben, um diese ja offensichtlich hoch kontroverse, hoch komplexe und facettenreiche – wie sollen wir sagen, Frances? – Episode aufzuklären.«
    »Wer ist wir ?«, grunzte Kit, aber die Frage schien ungehört zu verhallen.
    »Und alle haben sich äußerst hilfreich und entgegenkommend gezeigt – oder, Frances?«, fuhr Lionel fort, wobei er sich an die Unterlippe fasste und auch ihr eine Streicheleinheit zukommen ließ. »Ich meine, sogar die Amerikaner, die in diesen Dingen normalerweise extremst zugeknöpft sind – und die natürlich offiziell gar nicht zu fassen sind, und inoffiziell erst recht nicht –, haben sich ganz klar selbst noch von der leisesten Andeutung distanziert, die Agency könnte irgendeine Form der Beihilfe geleistet haben – wofür wir mehr als dankbar waren, nicht wahr, Frances?«
    Und indem er sich wieder Kit zuwandte:
    »Und selbstverständlich haben wir eine Untersuchung durchgeführt. Intern natürlich. Aber mit aller nötigen Sorgfalt. Und als Konsequenz hat der arme Fergus Quinn seinen Hut genommen, was – und ich glaube, da sind Sie mit mir d’accord, Frances – damals auch die angemessene und anständige Reaktion war. Aber heutzutage – wer reagiert denn heute noch anständig? Ich meine, wenn man an all die Politiker denkt, die nicht zurücktreten, obwohl sie allen Grund dazu hätten, steht der arme Fergus als Ritter ohne Furcht und Tadel da. Frances, Sie wollten etwas hinzufügen?«
    Allerdings:
    »Was ich nicht ganz verstehe, Sir Christopher: Als was hatten Sie dieses Dokument denn gedacht? Soll es eine Anklage sein? Eine Zeugenaussage? Oder einfach die Niederschrift einer Geschichte, die jemand Ihnen erzählt hat und die Sie hier weitergeben, ohne irgendeine Bewertung Ihrerseits?«
    »Sie sehen doch wohl, was es ist!« Kits Zorn loderte jetzt voll auf. »Wildlife war ein einziger Pfusch. Von vorn bis hinten. Die Ausgangsinformationen waren wertlos, zwei unschuldige Menschen wurden erschossen, und drei Jahre lang haben sämtliche beteiligten Parteien alles vertuscht – nicht zuletzt diese Dienststelle, wie ich stark annehme. Und der Einzige, der das Schweigen brechen wollte, ist ums Leben gekommen, unter Umständen, die nach gründlicher Überprüfung verlangen. Danach schreien «, schloss er selber fast schreiend.
    »Ich glaube, wir könnten es einfach unter Unverlangt eingereichtes Memorandum einordnen«, murmelte Lionel Frances hilfreich zu.
    Aber Frances war noch nicht fertig:
    »Wäre es stark übertrieben, Sir Christopher, wenn ich sagen würde, das ganze Gewicht Ihrer Anschuldigungen gegen Mr. Crispin und andere beruht auf dem, was Jeb Owens Ihnen zwischen elf Uhr abends und fünf Uhr morgens in dieser einen Nacht in Ihrem Club erzählt hat? Klammern wir vorerst die sogenannte Quittung aus, die Jeb Ihrer Frau gegeben hat und die Sie, wie ich hier sehe, als eine Art Anhang beigefügt haben.«
    Einen Augenblick lang war Kit zu verdattert, um zu sprechen.
    »Was ist mit meiner Aussage, verdammt? Ich war doch schließlich da , oder? Oben am Berg. In Gibraltar. Der Mann vor Ort. Der Staatsminister wollte meine Einschätzung. Ich habe sie ihm gegeben. Erzählen Sie mir nicht, niemand hätte mitprotokolliert, was da zwischen uns gesprochen wurde. Nichts rechtfertigt einen Zugriff. Meine Worte, laut und deutlich. Und Jeb hat das genauso gesehen. Alle haben sie das so gesehen. Shorty, jeder Einzelne von ihnen. Aber sie haben den Befehl zum Zugriff bekommen, also haben sie ihn ausgeführt. Nicht, weil sie Schafe sind, die blind hinterhertrotten. Sondern weil ein guter Soldat gehorcht. Egal, wie schwachsinnig der Befehl ist. Und er war schwachsinnig. Hirnrissig. Aber was zählt schon eine rationale Begründung? Befehl ist Befehl«, wiederholte er zur Sicherheit noch einmal.
    Frances studierte eine andere Seite in Kits Dokument.
    »Aber alles, was Sie in Gibraltar gesehen und gehört haben, stimmte doch exakt mit dem Bericht überein, den Sie hinterher von den Verantwortlichen erhalten haben, oder? Von

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