Empfindliche Wahrheit (German Edition)
Probyn mit Ypsilon.«
Selbst als sie ihn mit einem elektronischen Pingpongschläger abklopften, ihm das Handy abnahmen und es in ein nummeriertes Schließfach mit gläserner Tür sperrten, behielt er die Contenance.
»Arbeitet ihr Jungs hier Vollzeit, oder bewacht ihr auch andere Regierungsgebäude?«
Keine Antwort, doch so schnell gab er nicht klein bei. Und als sie Hand an sein kostbares Schriftstück legen wollten, lehnte er höflich, aber unbeirrbar ab.
»Keine Chance, mein Freund, bei allem Respekt. Sie tun Ihre Pflicht, ich tue meine. Ich bin den ganzen Weg von Cornwall hierhergekommen, um dieses Kuvert persönlich abzugeben, und persönlich abgeben werde ich es.«
»Wir müssen es nur durchleuchten«, sagte der Mann, nachdem er einen Blick mit seinem Kollegen gewechselt hatte. Also sah Kit friedfertig zu, wie sie ihren umständlichen Apparat in Gang setzten, und brachte den Umschlag dann schnellstens wieder an sich.
»Und es war der geschäftsführende Direktor persönlich, den Sie sehen wollten, Sir?«, fragte der Kollege mit einem Unterton, den Kit leicht als ironisch hätte missverstehen können.
»War es, allerdings«, erwiderte er unbeschwert. »Und ist es immer noch. Und wenn Sie das oben mit etwas Nachdruck ausrichten könnten, wäre ich Ihnen sehr verbunden.«
Einer der Männer ging hinaus. Der andere blieb stehen und lächelte.
»Sind Sie mit dem Zug gekommen?«
»Ganz richtig.«
»Gute Fahrt gehabt?«
»Sehr gut, danke. Alles reibungslos.«
»So muss es sein. Meine Frau kommt aus Lostwithiel, wissen Sie.«
»Was Sie nicht sagen! Eine echte Cornwallerin also. Was für ein Zufall.«
Der erste Mann kam zurück – aber nur, um Kit in diesen gesichtslosen Raum zu geleiten, in dem er jetzt saß und schon eine halbe Stunde gesessen hatte, innerlich kochend, aber fest entschlossen, es nicht zu zeigen.
Und nun endlich wurde seine Geduld belohnt, denn wer kam geschäftig auf ihn zu, strahlend wie ein Schulmädchen? Niemand anderes als Molly Cranmore, seine alte Kollegin aus der Notfalllogistik, mit einem Namensschildchen und einem Bund elektronischer Schlüssel um den Hals, die ihm beide Hände hinstreckte und rief: »Kit Probyn, was für eine wunderwunderschöne Überraschung!«, während Kit im Gegenzug sagte: »Molly, mein Gott, dass ich Sie hier treffe, ich dachte, Sie wären schon Jahrzehnte im Ruhestand, was in aller Welt machen Sie hier?«
»Alte Liebe rostet eben nicht«, antwortete sie fröhlich. »Ich kümmere mich um unsere sämtlichen Ehemaligen, wenn sie Hilfe brauchen oder in Schwierigkeiten sind, was Sie natürlich nicht sind, Sie Glücklicher, ich weiß, Sie sind in geschäftlicher Mission hier. Also. Was für einer Mission? Sie haben ein Schriftstück dabei und wollen es dem lieben Gott höchstpersönlich überreichen. Aber das können Sie nicht, weil er gerade durch Afrika gondelt – hoch verdient, muss ich dazusagen. Ein furchtbarer Jammer, weil er ganz sicher untröstlich sein wird, dass er Sie verpasst hat. Worum geht es denn?«
»Ich fürchte, das kann ich nicht mal Ihnen sagen, Molly.«
»Und kann ich Ihr Dokument in sein Privatbüro bringen und schauen, dass ich den richtigen Unterling dafür finde? – nein? – nicht mal, wenn ich verspreche, es keine Sekunde aus den Augen zu lassen? – auch dann nicht? Ach je«, sagte sie, als Kit eisern den Kopf schüttelte. »Hat es denn einen Namen, Ihr Dokument? Irgendein Stichwort, bei dem es bei denen im ersten Stock klingelt?«
Kit haderte mit sich. Ein Tarnname war schließlich genau das, was das Wort besagte. Aber musste ein Tarnname als solcher getarnt werden? Wenn, dann müsste es Tarnnamen für Tarnnamen geben, und so weiter bis in alle Ewigkeit. Trotzdem: dazu, das geheiligte Wort »Wildlife« in Hörweite eines griechischen Prälaten und zweier fuchtiger älterer Damen auszusprechen, konnte er sich denn doch nicht durchringen.
»Dann richten Sie ihnen doch bitte aus, dass ich seinen ranghöchsten Stellvertreter sprechen muss«, sagte er, den Umschlag mit beiden Armen an die Brust gepresst.
Wer sagt’s denn , dachte er.
***
Toby unterdessen hat sich in den St. James’s Park geflüchtet. Den silbernen Burner ans Ohr gedrückt, hockt er unter eben jener Platane, in deren Schutz er vor drei Jahren seinen vergeblichen Hilferuf an Giles Oakley abgesandt hat – sein SOS , weil er von einer fiktiven Louisa verlassen worden war und dringend Oakleys Rat brauchte. Jetzt lauscht er Emilys Stimme, die genauso ruhig wie
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