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Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Titel: Empfindliche Wahrheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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nicht in Tobys Richtung schauten.
    Und wenn es einen Moment gab, in dem Toby ernsthaft die Flucht erwog, dann war es dieser, denn der Verstand befahl ihm ganz klar: Fackel nicht lang, das hier ist eine Falle wie aus dem Lehrbuch, vertrau deinem Instinkt und lauf weg, denn spätestens in einer Stunde bist du barfuß an einen Heizkörper gekettet.
    Aber sein Drang, die Sache durchzuziehen, war offenbar stärker, denn er ließ sich brav von Shorty um die Ecke und in eine Einbahnstraße führen, auf deren linker Seite ganz richtig ein blitzender blauer Audi parkte, direkt vor einer schwarzen Mercedes-Limousine.
    Und auch das, er wusste es aus seinen Schulungen, war eine Situation wie aus dem Lehrbuch: ein Auto für die Entführer selbst, und eins für die Nachhut. Und als Shorty aus einem Meter Entfernung die Türen entriegelte und ihm die hintere Tür des Audi aufhielt anstatt der Beifahrertür, während sich gleichzeitig sein Griff um Tobys Arm verstärkte und der Muskelmann mit seinen beiden Kumpanen um die Ecke bog, mussten auch Tobys letzte Zweifel beseitigt sein.
    Die Selbstachtung zwang ihn, locker zu sagen:
    »Nach hinten soll ich, Shorty?«
    »Ich hab noch eine halbe Stunde auf der Uhr. Wär doch ein Jammer, die zu vergeuden. Wir können genauso gut hier sitzen und reden. Warum nicht?«
    Noch immer zögerte Toby, verständlich, denn normalerweise hätten sich zwei Männer, die sich ungestört in einem Auto unterhalten wollten, fern vom Getümmel, wie Shorty es nannte, ja wohl nach vorn gesetzt.
    Aber er stieg ein, und Shorty setzte sich neben ihn, im selben Augenblick, in dem der muskelbepackte Glatzkopf von der Straßenseite her hinters Steuer glitt und die Zentralverriegelung betätigte, während im Seitenspiegel seine beiden Freunde zu beobachten waren, wie sie seelenruhig im Mercedes Platz nahmen.
    Der Glatzköpfige ließ den Motor nicht an, aber er drehte sich auch nicht nach Toby um, sondern studierte ihn stattdessen im Rückspiegel, mit kurzen, schnellenden Blicken aus seinen kleinen runden Augen. Shorty derweil sah demonstrativ durchs Fenster auf die Passanten.
    ***
    Der Glatzköpfige hat beide Hände aufs Lenkrad gelegt, was sonderbar wirkt, denn sie fahren ja nicht; nicht einmal der Motor läuft. Es sind kraftvolle Hände, sehr sauber, mit protzigen Ringen geschmückt. Wie Shorty hat auch dieser Mann etwas Militärisch-Geschniegeltes an sich. Seine Lippen im Rückspiegel sind sehr rosa, und er muss sie mit der Zunge anfeuchten, ehe er spricht, was Toby als Zeichen nimmt, dass er ähnlich nervös ist wie Shorty.
    »Wenn mich nicht alles täuscht, Sir, habe ich die Ehre, Mr. Toby Bell vom Außenministerium Ihrer Majestät begrüßen zu dürfen? Ist das korrekt, Sir?«, fragt er mit pedantischem südafrikanischem Akzent.
    »So weit, so korrekt«, bestätigt Toby.
    »Sir, mein Name ist Elliot, ich bin ein Kollege von Shorty.« Jetzt kommt der auswendig gelernte Teil: »Sir – oder Toby, wenn ich so frei sein darf –, Mr. Jay Crispin, unser geschätzter Dienstherr, lässt Ihnen seine wärmsten Empfehlungen übermitteln. Er entschuldigt sich im Voraus für jegliche Ungelegenheiten, denen Sie bisher ausgesetzt waren, und versichert Ihnen, dass er nur die besten Absichten hat. Er bittet Sie, sich zu entspannen, und freut sich auf ein konstruktives und einvernehmliches Gespräch mit Ihnen, sobald Sie den Zielort erreicht haben. Möchten Sie sich das vielleicht rasch von ihm persönlich bestätigen lassen?«
    »Nein, danke, Elliot. Alles bestens«, erwidert Toby ebenso liebenswürdig.
    Nannte sich früher Eglesias. Albanisch-griechischer Deserteur, dann South African Special Forces, hat in einer Bar in Johannesburg einen umgelegt und ist seitdem in Europa zur Kur? Diese Sorte Elliot? , fragt Oakley zwischen zwei Schlückchen Calvados.
    »Passagier an Bord«, meldet Elliot in sein Handy und hebt den Daumen als Signal für den schwarzen Mercedes hinter ihnen.
    »Schon traurig, das mit dem armen Jeb«, bemerkt Toby im Plauderton zu Shorty, dessen Interesse an den Passanten draußen sich noch verstärkt.
    Umso mitteilsamer ist Elliot:
    »Mr. Bell, Sir, jeder Mensch hat sein Schicksal, jedem Menschen ist seine Zeit zugemessen, sage ich immer. Was bestimmt ist, ist bestimmt, da kann sich keiner rauswinden. Sitzen Sie auch bequem da hinten, Sir? Wir Fahrer machen es uns da manchmal ein bisschen einfach, habe ich das Gefühl.«
    »Alles wunderbar«, sagt Toby. »Wie steht’s mit Ihnen, Shorty?«
    ***
    Sie fuhren in

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