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Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Titel: Empfindliche Wahrheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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Sie jetzt? Hat das jemand bei Ihnen in Betracht gezogen?«
    »Ich bin sicher, sie haben es sehr ernsthaft in Betracht gezogen, so wie ich auch. Allerdings könnte der Sack ebenso gut das vereinbarte Signal für Aladin sein, dass die Luft rein ist. Oder dass er um keinen Preis ins Haus kommen darf. Wir sind auf bloße Mutmaßungen angewiesen. Zu viele Möglichkeiten, fürchte ich«, schloss er kühn, und er schob nach: »Unter den gegebenen Umständen scheint mir Jebs Haltung außerordentlich vernünftig, muss ich sagen.«
    »Keine Belehrungen bitte. Alle warten, bis ich mich wieder melde.«
    »Selbstverständlich.«
    »Und auch kein selbstverständlich , wenn ich bitten darf.«
    Dann Totenstille. Keine Atemgeräusche, kein Knistern im Hintergrund. Nur endloses Schweigen dringt aus dem Handy, das er fest und immer fester ans Ohr drückt.
    ***
    »Ich werd verrückt!« – Don, heftig.
    Alle fünf kauern sie vor der Schießscharte und sehen, wie ein hoher Wagen mit voll aufgeblendeten Scheinwerfern aus dem Tunnel schießt und auf die Häuserzeile zuhält. Aladin in seiner Limousine, der nicht zu spät kommen will? Von wegen. Es ist der blaue Toyota, jetzt ohne sein KONGRESS -Schild, der von der Küstenstraße abschwenkt und über den Schotter brettert, geradewegs auf den schwarzen Sack zu.
    Im Herankommen gleitet die Seitentür auf, und sichtbar werden der bebrillte Hansi, der über dem Steuer hängt, und eine zweite Gestalt – nicht klar zu erkennen, aber möglicherweise Kirsty –, die geduckt in der offenen Tür steht, eine Hand am Haltegriff, die andere nach dem Sack ausgestreckt. Mit einem Knall schließt sich die Tür wieder. Der Wagen beschleunigt, rast weiter in Richtung Norden und ist im nächsten Moment außer Sicht. Der Plumpudding ist weg.
    Der Erste, der die Sprache wiederfindet, ist Jeb, gefasster denn je.
    »Waren das eure Leute, die ich da gerade gesehen habe, Elliot? Die den Sack eingesammelt haben? Elliot, ich brauche eine Rückmeldung. Elliot, ich glaube, dass ihr mich hört. Ich brauche bitte eine Erklärung. Elliot?«
    »Neun?«
    »Ja, Paul.«
    »Es sieht so aus, als hätten Elliots Leute gerade eben den Sack weggeholt« – er gibt sich alle Mühe, so rational zu klingen wie Jeb. »Neun? Sind Sie dran?«
    Leicht verspätet meldet sich Neun wieder, bissig.
    »Wir haben eine Exekutiventscheidung getroffen, verdammt. Jemand musste sie ja schließlich treffen. Wenn Sie das gütigst an Jeb weiterleiten möchten. Jetzt auf der Stelle. Der Entschluss ist getroffen. Äh … gefällt.«
    Und weg ist er. Dafür ist Elliot zu vernehmen, der mit einer undeutlichen Frauenstimme mit australischem Akzent spricht und die Botschaft triumphierend an die übrige Zuhörerschaft weitergibt:
    »Der Sack enthält Vorräte ? Danke, Kirsty. Der Sack enthält Räucherfisch – hört ihr das, Jeb? Brot. Arabisches Brot. Danke, Kirsty. Was haben wir noch Schönes? Wasser haben wir. Sprudelwasser. Punter mag’s mit Sprudel. Und Schokolade. Milchschokolade. Halt es so, danke, Kirsty. Habt ihr da oben das mitgekriegt, Jeb? Der Scheißkerl versteckt sich schon die ganze Zeit da, und seine Kumpels verpflegen ihn. Wir greifen zu, Jeb. Ich habe meine Anordnungen schwarz auf weiß vor mir liegen, bestätigt und alles.«
    »Paul?«
    Nein, das ist nicht Staatsminister Quinn alias Neun. Es ist Jebs schwarz bemaltes Gesicht mit den weiß schimmernden Bergarbeiteraugen, nur dass sie braun sind, blassbraun in diesem Licht. Und Jebs Stimme, unverändert stetig, beschwört jetzt ihn:
    »Das können wir nicht machen, Paul. Im Dunkeln auf Geister schießen. Elliot hat keine Ahnung. Das sehen Sie doch auch!«
    »Neun?«
    »Was zum Teufel ist jetzt wieder? Wir greifen zu! Was wollen Sie noch, Mann?«
    Jeb starrt ihn an. Und über Jebs Schulter Shorty.
    »Neun?«
    »Was?«
    »Ich soll als Ihre Augen und Ohren fungieren, Neun. Ich kann Jeb nur zustimmen. Nichts, was ich gesehen oder gehört habe, rechtfertigt einen Zugriff in diesem Stadium.«
    Ist das Schweigen Absicht oder technisches Versagen? Von Jeb ein knappes Nicken. Von Shorty ein dünnes Hohnlächeln, ob auf Quinn, Elliot oder die ganze Situation gemünzt. Und vom Minister, verzögert, ein gewaltsames:
    »Der Mann ist da drin, verflucht noch mal!« Die Verbindung reißt ab, kommt zurück. »Paul, hören Sie jetzt gut zu. Das ist ein Befehl. Wir haben einen Mann in arabischer Kleidung gesehen. Und Sie haben ihn auch gesehen. Punter – ist – da – drin. Er wird von einem arabischen

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