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Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Titel: Empfindliche Wahrheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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Paul , predigt ihm Elliot über seinen Schreibtisch in Paddington hinweg. Aladin darf kein Haar gekrümmt werden. Aladin ist feuerfest, er ist kugelfest. Darauf hat Mr. Crispin seinem im höchsten Maße wertvollen Informanten sein Wort gegeben, und Mr. Crispins Zusicherungen an Informanten sind sakrosankt.
    »Skipper« – wieder Don, diesmal beide Arme erhoben.
    Ein Motorradfahrer nähert sich über die gewundene Schotterstraße, der Scheinwerferstrahl schwankt hin und her. Kein Helm, dafür flattert um seine Schultern eine schwarzweiße Kufija. Mit der Rechten steuert er, seine Linke hält etwas, das wie ein Sack aussieht. Er schwingt den Sack, stemmt ihn in die Luft, seht nur, was ich hier habe. Schlank, schmale Taille. Die Kufija verdeckt die untere Hälfte seines Gesichts. Als er die Mitte der Häuserreihe erreicht, hebt sich die rechte Hand vom Lenkrad und reckt sich hoch wie zu einem trotzigen Salut.
    Jetzt nähert er sich der Mündung der Anliegerstraße, und alles deutet darauf hin, dass er die Küstenstraße südwärts nehmen will. Aber in letzter Sekunde schlägt er einen Haken nach Norden, den Kopf tief über den Lenker gesenkt, die Kufija hinter ihm im Wind schlagend, und braust auf die spanische Grenze zu.
    Doch wen interessiert schon ein lebensmüder Motorradfahrer mit Kufija, wenn sein schwarzer Sack wie ein Plumpudding auf der Schotterstraße liegt, direkt vor dem Eingang zu Haus Nummer sieben?
    ***
    Die Kamera richtet sich darauf. Die Kamera zoomt ihn heran. Zoomt ihn noch näher.
    Es ist ein ganz gewöhnlicher schwarzer Plastiksack, mit Zwirn oder Bast zugebunden. Es ist ein Müllsack. Ein Müllsack mit einem Fußball oder einem abgehackten Kopf oder einer Bombe darin. Die Art von verdächtigem Gegenstand, den man, wenn er herrenlos auf einem Bahnhof herumläge, entweder melden oder nicht melden würde, je nach Schüchternheitsgrad.
    Die Kameras wetteifern miteinander um das beste Bild. Luftaufnahmen wechseln mit Nahaufnahmen auf Bodenhöhe und schwindelerregend schnellen Weitwinkelaufnahmen der Häuserzeile. Draußen auf dem Meer hat sich der Hubschrauber beschützend über das Mutterschiff herabgesenkt. Im Unterschlupf redet Jeb mit Menschen- und Engelszungen:
    »Es ist ein Sack, Elliot, mehr nicht« – in seinem sanftesten, beschwörendsten Tonfall. »Das ist alles, was wir wissen. Wir wissen nicht, was drin ist, wir können es nicht hören, nicht riechen, gar nichts. Es kommt kein grüner Qualm raus, keine Drähte oder Antennen, die wir sehen könnten, und ihr seht garantiert auch keine. Vielleicht ist es bloß ein Junge, der für seine Mutter eine Ladung Sperrmüll entsorgt … Nein, Elliot, ganz sicher nicht. Wir lassen ihn schön da liegen, mit Verlaub, damit mit ihm alles nach Plan verlaufen kann, und wir warten so lange, bis wir sehen, was der Plan ist, genau, wie wir auch warten, bis Aladin kommt.«
    Ist das ein elektronisches Schweigen oder ein von Menschen gemachtes?
    »Er kriegt frische Wäsche gebracht«, mutmaßt Shorty leise.
    »Nein, Elliot, auf gar keinen Fall«, sagt Jeb, seine Stimme jetzt schärfer. »Wir gehen ganz sicher nicht runter und schauen uns den Sack näher an. Wir machen absolut gar nichts mit dem Sack, Elliot. Darauf haben sie’s doch vielleicht angelegt: uns aus der Deckung zu locken, falls wir da sind. Tja, wir kommen nicht aus der Deckung. Nicht auf einen so plumpen Trick hin. Wir lassen die Finger von dem Ding.«
    Wieder Tonausfall, diesmal ein längerer.
    »Wir haben eine Abmachung , Elliot«, fährt Jeb mit übermenschlicher Geduld fort. »Vielleicht wisst ihr das nicht mehr. Wenn das Bodenteam die Zielperson ausgemacht hat, und keine Sekunde früher, kommen wir von hier oben runter. Und ihr kommt vom Wasser, und dann greifen wir gemeinsam zu. Das ist die Abmachung. Ihr habt auf dem Wasser das Sagen, wir auf dem Land. Und der Sack ist auf dem Land, oder vielleicht nicht? Und wir haben die Zielperson nicht ausgemacht, und ich werde nicht zulassen, dass unsere Teams von verschiedenen Seiten in ein dunkles Haus eindringen, bei dem keiner weiß, wer oder was drinnen auf uns wartet. Soll ich es noch mal wiederholen, Elliot?«
    »Paul?«
    »Ja, Neun.«
    »Was halten Sie persönlich von dem Sack? Los, sagen Sie was. Überzeugen Jebs Argumente Sie, ja oder nein?«
    »Solange Sie keine besseren haben, Neun, doch, sie überzeugen mich« – fest, aber dabei respektvoll, wie Jeb.
    »Und wenn es eine Warnung an Punter ist? Ein Signal, dass er abhauen muss? Was sagen

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