Empfindliche Wahrheit (German Edition)
geisterhafter Lichtpunkt, nach oben zeigend wie eine Kerze, bewegt sich durch das Zimmer. Getragen wird er von einem nicht minder geisterhaften weißen Unterarm. Die landseitigen Kameras klinken sich ein. Ja, da ist das Licht wieder. Und der geisterhafte Unterarm, orange beleuchtet von den Straßenlaternen draußen.
»Dann ist er also doch drin?« – Don spricht als Erster. »Haus sieben. Erdgeschoss. Hantiert mit einer Taschenlampe rum, weil es keinen Strom gibt.« Aber ganz überzeugt klingt er nicht.
»Oder es ist Ophelia« – Shorty, der Intellektuelle – »in ihrem weißen Wallenachthemd, die sich ins Mittelmeer stürzen will.«
Jeb steht so aufrecht, wie das Dach ihres Versteckes es zulässt. Er schiebt seine Sturmhaube zurück, so dass sie als Schal um seinen Hals liegt. In dem fahlen grünlichen Licht wirkt sein geschwärztes Gesicht plötzlich um Jahrzehnte älter.
»Ja, Elliot, wir haben es auch gesehen. Richtig, es ist jemand drin. Wer drin ist, das ist eine andere Frage, oder?«
Ist das erweiterte Kommunikationssystem tatsächlich am Abnippeln? Aus einem einzelnen Kopfhörer tönt Elliots kampfeslustige Stimme:
»Jeb? Jeb? Wo seid ihr Kerle, wenn man euch braucht?«
»Ich bin hier, Elliot.«
Der südafrikanische Akzent sehr ausgeprägt jetzt, sehr didaktisch:
»Meine Anweisungen – die exakt eine Minute alt sind – lauten: Alarmstufe rot, alle Mann an Bord. Ich soll meine Überwachungsteams aus dem Stadtzentrum abziehen und sie auf ALPHA konzentrieren. Jegliche Annäherung an ALPHA wird durch stationäre Einheiten erfasst werden. Euer Kommando macht sich an den Abstieg und formiert sich entsprechend.«
»Sagt wer, Elliot?«
»Das ist der Plan. Boden- und Meerseite gehen zusammen. Heilige Scheiße, Jeb, wisst ihr eure gottverdammten Anweisungen nicht mehr?«
»Wir wissen beide, wie die Anweisungen lauten, Elliot. An denen hat sich nichts geändert. Find, fix, finish. Wir haben Punter nicht gefunden, wir haben ein Licht gesehen. Wir können nicht zugreifen, solange wir ihn nicht gefunden haben, und wir haben keine PID , die auch nur einen Pfifferling wert ist.«
PID ? Sosehr er diese Abkürzungen hasst, reimt er es sich zusammen: positive Identifikation.
»Deshalb gibt es keinen Zugriff und auch kein Zusammengehen«, insistiert Jeb in stetigem Ton. »Nicht ohne meine Zustimmung. Wir erschießen uns nicht im Dunkeln gegenseitig, tut mir leid. Haben wir uns verstanden, Elliot? Elliot, ist das angekommen, was ich gerade gesagt habe?«
Immer noch keine Antwort, dafür plötzlich wieder Quinns aufgeregte Stimme:
»Paul? Dieses Licht in Haus sieben? Haben Sie es auch gesehen? Mit eigenen Augen?«
»Ja. Ich hab’s gesehen. Mit eigenen Augen.«
»Einmal?«
»Ich glaube, sogar zweimal, aber nur undeutlich.«
»Das ist Punter. Punter ist da drin. Jetzt, in diesem Moment. In Haus sieben. Das war Punter mit einer Taschenlampe, der da durchs Zimmer gegangen ist. Sie haben seinen Arm gesehen. Oder etwa nicht? Klar haben Sie ihn gesehen. Einen menschlichen Arm. Alle haben wir ihn gesehen.«
»Wir haben einen Arm gesehen, aber der Arm muss erst noch identifiziert werden, Neun. Wir warten immer noch auf Aladin. Er ist verschwunden, und nichts deutet darauf hin, dass er hierher unterwegs ist.« Und auf einen Blick von Jeb hin: »Wir warten außerdem auf den Beweis, dass Punter sich im Zielgebäude befindet.«
»Paul?«
»Ich bin da, Neun.«
»Wir müssen umdisponieren. Ihre Aufgabe ist jetzt, die Häuser im Blick zu behalten. Insbesondere Haus sieben. Das ist ein Befehl. Bis wir umdisponiert haben. Haben Sie verstanden?«
»Jawohl.«
»Sollten Sie mit dem bloßen Auge etwas Ungewöhnliches bemerken, das den Kameras entgangen sein könnte, muss ich das unverzüglich wissen.« Der Ton setzt aus, kehrt zurück. »Sie leisten erstklassige Arbeit, Paul. Das wird nicht unbemerkt bleiben. Sagen Sie Jeb Bescheid. Das ist ein Befehl.«
Die Ruhe, die einkehrt, fühlt sich unecht an. Aladins spurloses Verschwinden lastet auf ihnen. Elliot mag seine Luftkameras neu ausrichten, aber sie suchen immer noch die Stadt ab, nehmen vereinzelte Autos ins Visier und lassen wieder von ihnen ab. Seine Bodenkameras erfassen bald den Yachthafen, bald die Einfahrt in den Tunnel, bald ein Stück leere Küstenstraße.
»Komm schon, kleiner Wichser, zeig dich !« – Don an die Adresse des verschollenen Aladin.
»Hat seinen Schwanz irgendwo eingeklemmt, der alte Bock« – Andy zu sich selbst.
Aladin ist wasserfest,
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