Empfindliche Wahrheit (German Edition)
Gulfstream, die ihn nach Washington gebracht hat?«
»Reine Vermutung zwar, aber – ja.«
»Sie wissen ja sicher, dass Miss Maisie einen gewissen Jay Crispin protegiert, einen aufgehenden Stern am stetig wachsenden Firmament der privaten Militärdienstleister?«
»Gehört habe ich es.«
»Jay Crispin und Miss Maisie haben Fergus Quinn kürzlich einen Privatbesuch in seinem Büro abgestattet. Waren Sie bei den Festlichkeiten zugegen?«
»Zum Teil ja.«
»Mit welchem Ausgang?«
»Ich scheine es mir verdorben zu haben.«
»Mit Quinn?«
»Mit allen. Es war die Rede davon, dass ich an Bord gebeten würde. Das ist nicht passiert.«
»Danken Sie Ihrem Schöpfer dafür. Glauben Sie, Crispin hat Quinn in Miss Maisies Gulfstream nach Washington begleitet?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Ist die Dame selbst mitgeflogen?«
»Giles, ich weiß es einfach nicht. Es ist alles reine Spekulation.«
»Miss Maisie lässt ihre Leibwächter bei Messrs. Huntsman in der Savile Row einkleiden. Das wussten Sie wahrscheinlich auch nicht.«
»Korrekt.«
»Dann trinken Sie einen Schluck Calvados und erzählen mir zur Abwechslung mal, was Sie wissen.«
***
Erlöst aus seiner Isolation des Halbwissens und der Mutmaßungen, die er all die Zeit mit keiner Menschenseele teilen konnte, lässt sich Toby in seinem Sessel zurücksinken und schwelgt in den Wonnen der Beichte. Zunehmend enragiert schildert er seine Beobachtungen in Prag und Brüssel, Horsts vorsichtige Erkundigungen im Garten des Café Einstein, bis Oakley ihm ins Wort fällt:
»Sagt Ihnen der Name Bradley Hester etwas?«
»Bradley Hester? Und ob!«
»Was ist so lustig?«
»Er ist der Liebling des Vorzimmers. Die Mädchen vergöttern ihn. Mr. Music heißt er bei ihnen.«
»Wir sprechen aber doch vom selben Bradley Hester, oder? Stellvertretender Kulturattaché an der US -Botschaft?«
»Exakt. Brad und Quinn sind beide Klassik-Freaks. Sie haben ein Projekt gestartet – Austausch von Uni-Orchestern quer über den Atlantik. Sie gehen miteinander ins Konzert.«
»Steht das so in Quinns Terminkalender?«
»Als ich ihn das letzte Mal zu Gesicht bekommen habe«, sagt Toby und lächelt beim Gedanken an den rotbackigen Moppel Hester mit der obligatorischen abgewetzten Notenmappe, der in seinem tuntigen East-Coast-Akzent mit den Mädels schäkert, während er darauf wartet, ins Allerheiligste vorgelassen zu werden.
Aber Oakley ist für dieses wohlwollende Bild nicht zu haben.
»Und Zweck dieser zahlreichen Besuche bei Quinn ist es, über ein musikalisches Austauschprogramm zu sprechen, sagen Sie?«
»Die Termine sind in Stein gemeißelt. Die Verabredung mit Brad ist die einzige in der ganzen Woche, die Quinn immer einhält.«
»Und die Schreibarbeit, die das mit sich bringt – kümmern Sie sich um die?«
»Guter Gott, nein. Das macht alles Brad. Er hat die Leute dafür. Von Quinns Seite aus ist das Projekt strikt außerdienstlich, es gehört nicht in die Bürozeit. Da ist er eisern, das muss ich ihm lassen«, schließt Toby etwas lahm, als er Oakleys kaltem Blick begegnet.
»Und diese Mär kaufen Sie ihm ab?«
»Ich gebe mir Mühe. In Ermangelung einer anderen Erklärung«, sagte Toby und genehmigt sich ein vorsichtiges Schlückchen Calvados, während Oakley auf seinen linken Handrücken starrt, an seinem Ehering dreht, ihn bis zum Gelenk schiebt und wieder zurück.
»Sie meinen, Sie wittern keinen Unrat, wenn der stellvertretende Kulturattaché Bradley Hester allwöchentlich mit seiner Notenmappe voll weiß der Geier was anmarschiert kommt? Oder weigern Sie sich, Unrat zu wittern?«
»Ich wittere andauernd Unrat«, erwidert Toby verdrossen. »Wo ist da der Unterschied?«
Das überhört Oakley. »Tja, Toby, ich raube Ihnen ja nur ungern Ihre Illusionen, wenn es tatsächlich noch welche zu rauben gibt. Kulturattaché Bradley Hester ist nicht ganz der liebenswerte Clown, als den Sie ihn offenbar sehen möchten. Er ist ein diskreditierter Nachrichtenhändler der rechtesten Sorte, ein flammender Fundamentalist, der der Londoner CIA -Niederlassung von einer Clique reicher amerikanischer Evangelikaler aufgedrückt wurde, nach deren Überzeugung der US -Geheimdienst durchsetzt ist von fanatischen Islamisten und liberalen Schwanzlutschern – eine Ansicht, zu der auch Ihr charmanter neuer Chef neigt. Auf dem Papier arbeitet er für die amerikanische Regierung, in der Praxis aber für einen dubiosen Zusammenschluss von Militärdienstleistern, die unter dem Namen Ethical
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