Empfindliche Wahrheit (German Edition)
mir nicht ganz so dicht auf die Pelle, geht das?
»Tobe war in Ägypten stationiert, bis sich Mubaraks kleiner häuslicher Ärger am Horizont abzuzeichnen begann, richtig, Tobe?«
»Mehr oder weniger, ja.«
»Haben Sie den alten Knaben öfter mal gesehen?«, erkundigt Crispin sich, die Stirn in ernsthafter Anteilnahme gerunzelt.
»Ab und zu. Aus der Ferne« – hauptsächlich habe ich mit seinen Folterknechten verkehrt.
»Wie schätzen Sie seine Chancen ein? Sein Thron wackelt ja ziemlich, was man so hört. Die Armee ein schwankendes Rohr im Wind, die Muslimbruderschaft rüttelt an den Gittern – ich möchte derzeit nicht mit dem armen Hosni tauschen.«
Toby sucht noch nach einer hinreichend nichtssagenden Formulierung, da enthebt ihn Miss Maisie einer Antwort:
»Mr. Bell, Oberst Hosni Mubarak ist mein Freund . Er ist der Freund Amerikas , und er ist von Gott gesandt, um Frieden mit den Juden zu schließen und den Kommunismus und den dschihadistischen Terror zu bekämpfen. Wer in dieser Stunde der Not nach dem Sturz von Hosni Mubarak trachtet, ist ein Judas, ein Liberaler und ein jämmerlicher Feigling, Mr. Bell.«
»Und Berlin?«, fragt Crispin, als hätte der Ausbruch nie stattgefunden. »Toby war in Berlin , Darling. Als Diplomat. Wo wir gerade vor ein paar Tagen waren, weißt du noch?« Und wieder an Toby gewandt: »Von welchem genauen Zeitraum reden wir da?«
Hölzern leiert Toby die Eckdaten seiner Berliner Zeit herunter.
»Und in welcher Funktion, oder dürfen Sie darüber nicht sprechen?« – listig.
»Mädchen für alles im Prinzip. Was eben so anstand«, erwidert Toby mit vorgetäuschter Beiläufigkeit.
»Aber Sie sind keiner von denen , oder?« Ein Insiderlächeln. »Können Sie ja eigentlich nicht, sonst wären Sie nicht hier, sondern drüben in Vauxhall« – dies mit vielsagendem Blick in Richtung der unvergleichlichen Miss Maisie aus Houston, Texas.
»Bereich Politik. Allgemeine Aufgaben«, antwortet Toby so hölzern wie zuvor.
»Nein, was Sie nicht sagen!« – entzückt wendet er sich an Miss Maisie. »Darling, die Katze ist aus dem Sack. Unser Freund Toby war einer von Giles Oakleys schlauen Berliner Bürschlein im Vorfeld des Irakkriegs.«
Bürschlein? Leck mich.
»Kenne ich Mr. Oakley?«, will Miss Maisie wissen und rückt näher, um Toby genauer zu betrachten.
»Nein, Darling, aber von ihm gehört hast du. Oakley war der Anführer dieser internen Revolte im Foreign Office. Der mutige Mann mit der Petition an unseren Außenminister, sich nicht an der Jagd auf Saddam zu beteiligen. Haben Sie ihm die geschrieben, Toby, oder haben das Oakley und seine Kameraden allein auf die Reihe gekriegt?«
»Ich habe niemandem etwas dergleichen geschrieben – falls es so etwas je gab, was ich bezweifle«, antwortet der überrumpelte Toby so grob wie wahrhaftig, während er innerlich nicht zum ersten Mal ratlos vor dem Rätsel Giles Oakley steht.
»Na, weiterhin viel Erfolg Ihnen«, sagt Crispin wegwerfend und wendet sich Quinn zu, so dass sich Toby in aller Ruhe der Betrachtung dieses unverschämt geraden Rückens widmen kann, auf den er schon durch das Mattglas in der Brüssler Minister-Suite Blick hatte und dann erneut durch das Burgfenster in Prag.
***
Hastiges Googeln weist Mrs. Spencer Hardy aus Houston, Texas, als Witwe und Alleinerbin des verstorbenen Spencer K. Hardy III . aus, Gründer von Spencer Hardy Holdings, einem multinationalen Konzern mit Sitz in Texas, der mit so gut wie allem handelt. Unter dem von ihr präferierten Salonnamen Miss Maisie zur republikanischen Wohltäterin des Jahres gewählt. Vorsitzende der Americans for Christ Legion. Präsidentin ehrenhalber einer Reihe gemeinnütziger Anti-Abtreibungsorganisationen. Vorsitzende des Amerikanischen Instituts für Dschihadforschung. Und – dieser Eintrag scheint relativ kürzlich hinzugekommen zu sein – Präsidentin und Hauptgeschäftsführerin einer nicht näher beschriebenen Vereinigung, die sich Ethical Outcomes Inc. nennt.
So, so, denkt er: eine glühende Fundamentalistin und ethisch obendrein. Keine Selbstverständlichkeit. Ganz und gar nicht.
***
Tage- und nächtelang hadert Toby mit seinen Optionen. Soll er zu Diana laufen und alles beichten? »Ich habe mich über Ihre Anweisungen hinweggesetzt, Diana. Ich weiß, was im Verteidigungsministerium passiert ist, und jetzt passiert bei uns haargenau das Gleiche.« Doch was im Verteidigungsministerium passiert ist, so hat Diana ihm unmissverständlich zu
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