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Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Titel: Empfindliche Wahrheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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Hoheitsgebiet ein britisches Feigenblatt als Deckung bräuchte. Ohne das, keine Chance.«
    »Danke, Toby. Und was oder wer, denken Sie, könnte diese Anfrage ausgelöst haben?«
    »Ganz ehrlich, Giles, ich habe keine Ahnung.«
    Oakley verdreht die Augen gen Himmel, senkt sie, seufzt.
    »Toby. Mein lieber Junge. Ein vielbeschäftigter Staatsminister mutet es seinem hochtalentierten jungen Referenten nicht zu, in irgendwelchen staubtrockenen Archiven nach Präzedenz fällen zu suchen, ohne ihn vorher in seinen Schlachtplan einzuweihen.«
    »Dieser hier verdammt noch mal schon!«
    Und was macht Giles Oakley, Meister im Pokerspiel? Er springt auf, schenkt Toby Calvados nach, nimmt wieder Platz und erklärt sich zufrieden.
    »Aber sagen Sie mir doch« – ganz im Vertrauen nun, da alle Spannungen aus der Welt geschafft sind –, »wie um Himmels willen hat man diese bizarre Anfrage aufzufassen, mit der Ihr charmanter neuer Chef seine überlastete Personalabteilung auf Trab hält?«
    Und als Toby schon wieder – wenn auch diesmal lammfromm, weil ja solche Harmonie zwischen ihnen herrscht – seine Ahnungslosigkeit beteuern muss, wird er mit einem erfreuten kleinen Lachen belohnt.
    »Einen Unter flieger sucht er, Toby! Kann man sich das vorstellen? Einen Unter flieger, und am besten schon gestern. Das müssen Sie doch mitbekommen haben! Die halbe Abteilung steht Kopf, um den richtigen Mann zu finden, sie haben schon in sämtlichen anderen Ministerien angerufen und nach Empfehlungen gefragt.«
    Unterflieger?
    Für Sekundenbruchteile zuckt durch Tobys Hirn die Vision eines tollkühnen Piloten, der sich bereitmacht, die Radarkontrollen eines von Englands gezählten Protektoraten zu unterfliegen. Und etwas Dahingehendes muss er auch geäußert haben, denn Giles lacht laut auf und schwört, das sei das Köstlichste, das er seit Monaten gehört habe.
    » Unter im Gegensatz zu über , mein Lieber! Ein braver alter Gaul aus unseren eigenen Reihen, Jobvoraussetzungen: eine möglichst glanzlose Vergangenheit und keine Zukunft. Ein verlässliches Arbeitstier, das nicht bockt und nicht zickt und vor der Pensionierung eine Sache noch mal so richtig gut machen will. Sprich, Sie in so ungefähr achtundzwanzig Jahren«, frotzelt er.
    Das ist es also, denkt Toby, während er in Giles’ Heiterkeit einzustimmen versucht. Er bringt mir schonend bei, dass Fergus Quinn mich nicht einfach nur kaltstellt, sondern aktiv nach einem Ersatz für mich sucht – und zwar nicht irgendeinem Ersatz, sondern einem abgehalfterten alten Gaul, der solche Angst um seine Pensionsansprüche hat, dass er alles, was sein charmanter neuer Chef von ihm fordert, klaglos mitmacht.
    ***
    Die beiden Männer stehen nebeneinander vor der Haustür und warten im Mondschein auf Tobys Taxi. Toby hat Oakleys Gesicht noch nie so ernst gesehen – oder so verletzlich. Das Neckende, die kleinen Auszierungen, all das ist aus seiner Stimme verschwunden; was bleibt, ist ein drängender, warnender Unterton.
    »Was immer da im Busch ist, Toby, lassen Sie sich nicht darauf ein. Wenn Ihnen etwas verdächtig erscheint, schicken Sie mir eine SMS unter der Handynummer, die Sie von mir haben. Das sollte zumindest nicht ganz so unsicher sein wie per Mail. Sagen Sie, Ihre Freundin hat Ihnen den Laufpass gegeben und Sie müssen sich bei mir ausweinen, irgendwas in dem Stil.« Und als wäre er noch nicht deutlich genug geworden: »Lassen Sie sich unter gar keinen Umständen in etwas hineinziehen, Toby. Willigen Sie in nichts ein, unterschreiben Sie nichts. Machen Sie sich auf keine Weise mitschuldig.«
    »Aber mitschuldig woran, Himmelherrgott?«
    »Wenn ich das wüsste, wären Sie der Letzte, dem ich es sagen würde. Crispin hat Sie inspiziert und gnädigerweise keinen Gefallen an Ihnen gefunden. Ich sage es noch einmal: Danken Sie Ihrem Schöpfer, dass Sie den Test nicht bestanden haben. Im anderen Fall – Gott allein weiß, in was Sie hineingeraten wären.«
    Das Taxi kommt. Oakley, ganz untypisch für ihn, streckt die Hand aus. Toby nimmt sie und stellt fest, dass sie schweißfeucht ist. Er lässt sie los und steigt ein. Oakley klopft ans Fenster. Toby öffnet.
    »Bezahlt ist schon«, sagt Oakley hastig. »Ein Pfund Trinkgeld, mehr nicht. Was immer Sie tun, zahlen Sie nicht doppelt, mein Lieber.«
    ***
    »Ein Momentchen, Master Toby, Sir, wenn Sie die Güte hätten.«
    Irgendwie ist eine ganze Woche herumgegangen. Isabels Groll über Tobys Desinteresse hat sich in dumpfer Wut entladen.

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