Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Titel: Empfindliche Wahrheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
Vom Netzwerk:
über ihre territoriale Integrität vorzubereiten. Ohne das Wissen der Rechtsabteilung oder der Fachreferenten. Oder das Wissen von überhaupt jemandem« – nun, da er näher darüber nachdenkt. »Eine Verschlusssache, abzuliefern pünktlich Montag um zehn.«
    »Und Sie haben diesen Bericht vorbereitet?«
    »Auf Kosten meines Wochenendes.«
    »Wo ist er jetzt?«
    »Abgeschossen.«
    »Soll heißen?«
    »Mein Bericht wurde vorgelegt, zog nicht und kam zu den Akten. Sagt Quinn.«
    »Sind Sie so nett und fassen mir kurz seinen Inhalt zusammen?«
    »Es war einfach nur eine Übersicht. Das Abc. Jedes Erstsemester hätte das gekonnt.«
    »Dann sagen Sie mir das Abc auf. Ich habe es vergessen.«
    » 1983 , nach der Ermordung von Grenadas marxistischem Premierminister, sind die Amerikaner ohne unsere Einwilligung dort eingefallen. Der Einsatz hieß Urgent Fury. Zu Furien wurden dabei hauptsächlich wir Briten.«
    »Wieso?«
    »Grenada ist unser Gebiet. Eine ehemalige britische Kolonie, jetzt Commonwealth-Mitglied.«
    »Und die Amerikaner sind dort eingefallen. Pfui aber auch. Erzählen Sie weiter.«
    »Die amerikanischen Spione – Ihr geliebtes ›Umland‹ – bildeten sich ein, dass Castro den Flughafen von Grenada als Raketenabschussbasis nutzen wollte. Völlig aus der Luft gegriffen. Die Briten hatten den Bau des Flughafens unterstützt und waren nicht eben entzückt, sich anhören zu müssen, dass er eine tödliche Bedrohung für Amerika darstellte.«
    »Und unsere Reaktion, in aller Kürze?«
    »Wir haben den Amerikanern gesagt, dass sie so etwas bitte schön nie wieder tun dürfen, ohne uns vorher um Erlaubnis gefragt zu haben, sonst werden wir richtig böse.«
    »Und was haben sie uns gesagt?«
    »Dass wir uns ins Knie ficken können.«
    »Und haben wir das?«
    »Der amerikanische Vorschlag fand durchaus Anklang« – er flüchtet sich in einen sarkastischen Diplomatenstil. »Unser Anspruch auf unsere Commonwealth-Staaten ist so windig, dass uns das State Department aus seiner Sicht einen Gefallen tut, wenn es ihn überhaupt anerkennt. Dazu muss es in der Stimmung dafür sein, und im Falle Grenadas war es nicht in der Stimmung.«
    »Also Pech gehabt?«
    »Ja und nein. Sie sind zurückgerudert, und ein Abkommen wurde ausgehandelt.«
    »Und zwar welchen Inhalts? Weiter.«
    »Des Inhalts, dass die Amerikaner, wenn sie auf unserem Boden wieder einmal etwas Drastischeres vorhaben – wie etwa einen Sondereinsatz getarnt als Befreiungsaktion für die unterdrückten Einwohner –, vorher artig bei uns anfragen, sich eine schriftliche Genehmigung holen, uns zum Mitmachen einladen und die Früchte mit uns teilen.«
    »Mit Früchten meinen Sie geheimdienstliche Erkenntnisse.«
    »Richtig, Giles. Das meine ich damit. Geheimdienstliche Erkenntnisse unter einem anderen Namen.«
    »Und Diego Garcia?«
    »Diego Garcia war die Vorlage.«
    »Wofür?«
    »Himmel noch mal, Giles!«
    »Ich bin unbeleckt von Hintergrundwissen. Bitte erklären Sie es mir genau so, wie Sie es Ihrem charmanten neuen Chef erklärt haben.«
    »Seit wir Diego Garcia in den sechziger Jahren zuvorkommenderweise für die Amerikaner entvölkert haben, dürfen sie die Insel als Anlaufpunkt für ihre Geheimoperationen nutzen, wenn auch nur zu unseren Bedingungen.«
    »Die aber stillschweigende Duldung beinhalten, nehme ich an?«
    »Ja, Giles. Ihnen entgeht nichts, wie immer. Diego Garcia ist nach wie vor britisches Territorium, also müssen wir Briten wegschauen. Aber das wussten Sie doch bestimmt alles?«
    »Nicht unbedingt.«
    Wenn Giles verhandelt, äußert er grundsätzlich nie Genugtuung über den Fortgang. Toby hat ihn in Berlin nach dieser Strategie verfahren sehen. Jetzt darf er erleben, wie sie auf ihn angewendet wird.
    »Hat Quinn mit Ihnen über die spitzfindigeren Schlussfolgerungen aus Ihrem Bericht gesprochen?«
    »Es gab keine.«
    »Also hören Sie mal. Das wäre doch das mindeste gewesen. Und über eine Übertragung der Grenada-Erfahrung auf substantiellere britische Besitztümer?«
    Toby schüttelt den Kopf.
    »Sie beide haben nicht mal in groben Zügen das Recht oder Unrecht eines amerikanischen Übergriffs auf britisches Kronterritorium diskutiert? Auf der Basis dessen, was Sie für ihn ausgegraben hatten?«
    »Nicht mal das.«
    Oakley, der Meister der Kunstpause.
    Dann: »Hat Ihr Bericht eine Moral?«
    »Eher ein maues Fazit, wenn Sie so wollen.«
    »Und das wäre?«
    »Dass jegliche unilaterale Aktion der Amerikaner auf britischem

Weitere Kostenlose Bücher