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Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Titel: Empfindliche Wahrheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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Hammer kurz und klein zu schlagen und die Splitter möglichst weitflächig zu verstreuen. Mit einem extrastarken Klebeband, das ein hilfreicher Handwerker bei ihm vergessen hatte, klebte er den Stick an der Rückseite des stockfleckigen Hochzeitsfotos seiner Großeltern mütterlicherseits fest, das an der dunkelsten Stelle des Flurs neben den Garderobenhaken hing, und vertraute ihn sorglich ihrem Schutz an. Wie nun am besten sich des Tonbands entledigen? Die Aufnahme zu löschen war nicht genug. Er schnitt es in kleine Stücke, die er im Spülbecken verbrannte, ein Vorgang, bei dem er um ein Haar die Küche in Brand gesteckt hätte; die Überreste entsorgte er im Müllhäcksler.
    Seine Versetzung nach Beirut erfolgte nur fünf Tage später.

3
    Die vielbeachtete Ankunft von Kit und Suzanna Probyn in dem abgelegenen Dörfchen St. Pirran an der Küste Nord-Cornwalls fand anfangs kein so freudiges Echo, wie ihr gebührt hätte. Das Wetter war schlecht und die Stimmung im Dorf entsprechend; ein nasser Februarnebel hing in der Luft, jeder Schritt hallte in den Gassen wie ein Urteilsspruch. Und als es abends Zeit fürs Pub wurde, gleich der nächste Schlag: Die Zigeuner waren wieder da. Ein Wohnmobil – ein neues, gestohlen höchstwahrscheinlich – mit einem Kennzeichen aus dem Landesinneren und Gardinen in den Seitenfenstern war von dem jungen John Treglowan erspäht worden, als er mit dem väterlichen Traktor die Kühe zum Melken heimtrieb.
    »Und wieder so unverschämt nah beim Gutshaus, am selben Fleck wie beim letzten Mal auch, direkt vor den paar alten Kiefern da oben.«
    Haben sie denn schon ihre bunte Wäsche rausgehängt, John?
    »Bei dem Wetter? Nicht mal die.«
    Wuseln Kinder rum, John?
    »Sehen konnt ich keine, die lassen sie wahrscheinlich lieber drin, bis sie wissen, dass die Luft rein ist.«
    Aber Pferde?
    »Keine Pferde«, musste John Treglowan zugeben. »Noch nicht.«
    Und nur der eine Wagen bis jetzt?
    »Bis morgen sind es bestimmt schon ein halbes Dutzend, wartet’s nur ab.«
    Also warteten sie.
    Und warteten am nächsten Morgen immer noch. Ein Hund war gesichtet worden, aber kein Zigeunerhund, jedenfalls sah er nicht wie einer aus: ein gutgenährter gelber Labrador in Begleitung eines weit ausschreitenden Mannes mit breitkrempigem Regenhut und einem von diesen neumodischen langen Wettermänteln. Und der Mann wirkte kein bisschen zigeunerhafter als sein Hund – weshalb John Treglowan und seine beiden Brüder, die es schon in den Fingern juckte, sich die Störenfriede vorzuknöpfen wie beim letzten Mal, fürs Erste von ihrem Vorhaben absahen.
    Was nur gut war, denn am nächsten Morgen fuhr das Wohnmobil mit den Gardinen, dem anrüchigen Nummernschild und dem gelben Labrador auf der Rückbank vor dem Postamt mit seinem kleinen Supermarkt vor, und zwei höflichere Ausländer als dieses pensionierte Ehepaar konnte man sich gar nicht wünschen, berichtete die Postleiterin hinterher – wobei Ausländer jeder hieß, der so unklug war, von östlich des Tamar zu stammen. Sie ging nicht so weit, sie für »was Besseres« zu erklären, aber es schwang in ihrer Beschreibung unstreitig mit.
    Das beantwortet aber noch nicht die Frage, oder?
    Keine Spur tut es das.
    Hinten und vorn nicht!
    Denn mit welchem Recht kampierte irgendjemand oben beim Gutshaus? Wer erlaubte so was? Die spatzenhirnigen Verwalter des Kommandanten drüben in Bodmin? Oder diese Halsabschneideranwälte in London? Und zahlten sie am Ende Miete ? Denn was würde das für uns heißen? Noch einen von diesen Dreckszeltplätzen, das würde es heißen, wo wir doch schon die zwei, die wir haben, nicht vollkriegen, nicht mal in der Saison.
    Aber die Eindringlinge selbst danach fragen – Gott bewahre, so was machte man doch nicht!
    Erst als das Wohnmobil vor Ben Painters Autowerkstatt hielt, die auch eine kleine Heimwerkerabteilung hatte, und ein langer, knochiger, gutgelaunter Mann um die sechzig heraussprang, fanden die Spekulationen ein jähes Ende.
    »Einen wunderschönen guten Morgen. Sind Sie zufällig Ben?«, beginnt der Besucher, den Oberkörper weit nach vorn gebückt, denn Ben ist achtzig und an einem guten Tag stolze eins fünfzig groß.
    »Bin ich«, räumt Ben ein.
    »Und ich bin Kit. Und was ich bräuchte, Ben, ist ein dicker, fetter Seitenschneider. So einer, der durch eine solche Eisenstange« – er bildet einen Ring mit Mittelfinger und Daumen – »einfach durchschnippelt.«
    »Geht’s ins Kittchen?«, fragt Ben.
    »Na, erst mal

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