Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Titel: Empfindliche Wahrheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
Vom Netzwerk:
der letzten Riten verabschiedeten der Narrenbischof und seine Gemahlin sich und schlugen in stillschweigendem Übereinkommen den Fußweg ein, der unter der alten Eisenbahnbrücke durchführte, am Flüsschen entlang und hinauf zum Seitentor des Gutshauses.
    Suzanna hatte ihren Zylinder abgesetzt. Kit trug ihn für sie. Dann erst fiel ihm sein Strohhut ein, und er nahm ihn ebenfalls ab, legte die beiden Hüte Krempe an Krempe und trug sie als sperriges Doppelgebilde in einer Hand mit seinem Stock mit dem Silberknauf. Mit der anderen Hand hielt er Suzannas Arm. Emily machte Anstalten, ihnen zu folgen, besann sich jedoch eines Besseren und rief ihnen nach, sie würden sich dann daheim sehen. Sie waren schon im Schutz der Eisenbahnbrücke angelangt, als Suzanna sich mit einem Ruck zu ihrem Mann umdrehte.
    »Wer war das? Dieser Mensch, dem du gesagt hast, du würdest ihn zum ersten Mal sehen. Jeb. Der Sattler.«
    »Niemand, den ich in irgendeiner Weise kenne«, beantwortete Kit mit fester Stimme die lange gefürchtete Frage. »Das ist absolut tabu, tut mir leid.«
    »Er hat dich Paul genannt.«
    »Allerdings, und dafür gehört er gerichtlich belangt. Ich wünsche es ihm.«
    » Bist du Paul? Warst du Paul? Warum antwortest du mir nicht, Kit?«
    »Weil ich es nicht darf, deshalb. Liebling, frag bitte nicht weiter. Es führt nirgendwohin. Es kann nirgendwohin führen.«
    »Aus Sicherheitsgründen?«
    »Ja.«
    »Du hast ihm gesagt, du wärst nie jemandes rotes Telefon gewesen.«
    »Richtig.«
    »Aber du warst es. Damals, als du zu dieser hochgeheimen Mission aufgebrochen bist, irgendwo im Süden, und mit völlig verschrammten Beinen zurückkamst. Emily hat bei uns gewohnt, weil sie auf ihren Schein für Tropenkrankheiten gelernt hat. Sie wollte dir eine Tetanusspritze geben. Du hast dich geweigert.«
    »Ich hätte euch überhaupt nichts davon sagen dürfen.«
    »Aber du hast es nun mal. Das machst du nicht wieder ungesagt. Du musstest irgendwohin fahren, um als rotes Telefon fürs Ministerium zu fungieren, und du wolltest uns nicht sagen, wie lange oder wohin genau, nur, dass es dort warm ist. Wir waren beeindruckt. Wir haben darauf getrunken. ›Auf unser rotes Telefon‹. Das ist passiert, richtig? Das leugnest du doch nicht? Und du kamst verschrammt zurück und sagtest, du wärst in einen Busch gefallen.«
    »War ich auch. In einen Busch gefallen. Völlig wahr.«
    Und als sie das nicht beschwichtigte:
    »Also gut, Suki. Also gut. Hör zu. Ich war Paul. Ich war sein rotes Telefon. Ja, es stimmt. Vor drei Jahren. Und wir waren Waffenbrüder. Es war das Beste, was ich in meiner ganzen Laufbahn erlebt habe, und mehr kannst und wirst du darüber von mir nicht erfahren. Der arme Kerl ist ein komplettes Wrack. Ich habe ihn kaum wiedererkannt.«
    »Er kam mir wie ein feiner Mensch vor, Kit.«
    »Er ist mehr als das. Er ist ein grundanständiger, tapferer Mann. Oder war es zumindest. Ich hatte keinen Grund zur Klage. Ganz im Gegenteil. Er war meine – Vertrauensperson«, sagte er in einem Moment unvorgesehener Aufrichtigkeit.
    »Und trotzdem hast du ihn verleugnet.«
    »Das musste ich. Da habe ich keine Wahl. Was er gemacht hat, ist indiskutabel. Die ganze Operation damals war – ja, geheim ist gar kein Ausdruck.«
    Er hatte das Schlimmste für überstanden gehalten, aber da machte er die Rechnung ohne Suzanna.
    »Was ich beim besten Willen nicht verstehe, Kit: Wenn Jeb wusste, dass du lügst, und du es auch wusstest, warum dann überhaupt lügen? Oder war das nur für mich und Emily?«
    Sie hatte es geschafft, was immer es war. Die Wut kam ihm gerade recht, er stieß ein schroffes »Gut, dann geh ich eben und fechte es mit ihm aus« hervor, und im nächsten Moment hatte er ihr die Hüte in die Hand gedrückt und stürmte mit seinem Spazierstock den Treidelpfad entlang, stiefelte ohne einen Blick für das uralte VORSICHT - EINSTURZGEFAHR -Schild über das klapprige Brückchen und durch ein Birkengehölz zum unteren Ende von Bailey’s Hill, über einen Zauntritt in eine Schlammpfütze und dann mit langen Schritten den Hügel hinauf – nur um das Zeltdach hinter der Kuppe schon halb eingerissen vorzufinden, während die Aussteller mit einer Emsigkeit, wie sie sie den ganzen Tag nicht gezeigt hatten, Zelte, Stände und Klapptische abbauten und in ihre Autos wuchteten; und dort, zwischen all den Wagen, war die Stelle, haargenau die Stelle, an der noch vor einer halben Stunde Jebs Bus gestanden hatte und nun nicht mehr stand.
    Was

Weitere Kostenlose Bücher