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Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Titel: Empfindliche Wahrheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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redete er da für ein Zeug? Mit Fingern, die an den Enden zusammengewachsen schienen, nestelte er drei Zwanzig-Pfund-Noten aus seiner Brieftasche und legte sie auf den Tisch.
    »Da, Liebling. Für dich. Ein verspätetes Osterei. Steck die alte Tasche in die neue. Klar passt sie rein. Hier« – er machte es für sie, unsanft. »Danke, Jeb. Tolle Ware haben Sie. Toll, dass Sie gekommen sind. Schauen Sie, dass Sie’s nächstes Jahr wieder hierher schaffen.«
    Warum steckte der Kerl das Geld nicht einfach ein? Warum konnte er nicht lächeln und nicken und danke oder ganz meinerseits sagen wie ein normaler Mensch – warum setzte er sich jetzt wieder hin und schob mit dem mageren Zeigefinger die Scheine hin und her, als wären sie gefälscht oder nicht genug oder auf unehrlichem Wege verdient oder was immer er sonst dachte, wieder außer Sicht nun unter seinem Puritanerhut? Und warum grinste Suzanna, ihre Wangen inzwischen fieberrot, wie eine Idiotin auf ihn hinab, statt auf Kits Hand an ihrem Arm zu reagieren, deren Griff immer fester wurde?
    »Das ist also Ihr anderer Name, Paul?«, erkundigte sich die ruhige walisische Stimme. » Probyn? Der vorhin so groß über Lautsprecher verkündet wurde? Das sind Sie?«
    »Das bin ich, allerdings. Wobei in Sachen wie dieser meine liebe Frau die treibende Kraft ist. Ich zuckle nur hinterher.« Kit streckte den Arm nach ihrem Zylinder aus, aber Jeb hielt ihn mit eiserner Hand fest.
    »Wir hatten miteinander zu tun, wissen Sie noch, Paul?«, sagte Jeb, und in dem Ausdruck, mit dem er zu Kit aufsah, schienen Schmerz und Vorwurf zu gleichen Teilen enthalten. »Vor drei Jahren. Auf steinigem Terrain, wie man so gern sagt.« Und als Kit den Blick senkte, um dem unverwandten Starren zu entkommen, waren da Jebs Finger, die den Rand des Zylinders umklammerten, so eisenhart, dass der Daumennagel blutleer war. »Oder, Paul? Sie waren mein rotes Telefon.«
    Kit, in heller Verzweiflung jetzt, als auch noch wie aus dem Nichts Emily auftauchte und ihren üblichen Posten an der Seite ihrer Mutter einnahm, raffte die letzten Reserven gespielter Leutseligkeit zusammen:
    »Da kriegen Sie was durcheinander, Jeb. Passiert jedem von uns mal. Ich sehe Sie zum ersten Mal in meinem Leben« – er zwang sich, dem unerbittlichen Blick zu begegnen. » Rotes Telefon sagt mir absolut gar nichts, bedaure. Paul? – nie gehört. Tja, dann wollen wir mal.«
    Und irgendwie gelang es ihm, das Lächeln beizubehalten und sogar ein entschuldigendes Lachen auszustoßen, bevor er sich zu Suzanna umwandte:
    »Liebling, die Pflicht ruft. Deine Weber und Töpfer werden dir sonst ewig gram sein. Jeb, nett, Sie kennenzulernen. Sehr informativ. Tut mir wirklich leid mit der Verwechslung. Wenn ich noch um den Zylinder bitten dürfte? Nicht zum Verkauf, tut mir leid. Erinnerungswert.«
    »Sekunde noch.«
    Jebs Hand hatte den Zylinder losgelassen und verschwand im Revers seines Ledermantels. Kit schob sich schützend vor Suzanna. Aber die einzige tödliche Waffe, die zum Vorschein kam, war eine Kladde mit blauem Rücken.
    »Fast hätt ich Sie ohne Quittung losgeschickt«, erklärte er, kopfschüttelnd über so viel Vergesslichkeit. »Junge, Junge, da täte mir das Finanzamt schön aufs Dach steigen.«
    Damit schlug er die Kladde auf seinem Knie auf, vergewisserte sich, dass das Kohlepapier richtig lag, und begann mit einem braunen Bleistift aus Militärbeständen zu kritzeln. Und als er fertig war – es musste eine recht ausführliche Quittung sein, so lange, wie er zum Schreiben gebraucht hatte –, riss er die Seite heraus, faltete sie zusammen und schob sie behutsam in Suzannas neue Umhängetasche.
    ***
    In der Diplomatenwelt, zu deren treuen Bürgern sich Kit und Suzanna noch bis vor kurzem gezählt hatten, waren gesellschaftliche Verpflichtungen gesellschaftliche Verpflichtungen.
    Die Weber hatten zusammengelegt, um einen Handwebstuhl von anno dazumal nachzubauen? Suzanna ruhte nicht eher, als bis ihr das Gerät in allen Einzelheiten vorgeführt worden war, und Kit bestand darauf, einen handgewebten Lappen zu erstehen – endlich etwas, das seinen Computer davon abhalten würde, ihm quer über den Schreibtisch davonzuhüpfen: eine Bemerkung so bar jeden Sinns, dass sich einen Moment lang Ratlosigkeit breitmachte, bis hin zu Emily, die sich ein paar Schritte entfernt mit einem Trio kleiner Kinder unterhielt. Am Töpferstand stümperte Kit an der Drehscheibe herum, liebreich belächelt von Suzanna.
    Erst nach Vollzug auch

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