Empfindliche Wahrheit (German Edition)
sagen, im Grunde ist auch das schon zu viel.« Kann es sein, dass er diesen Spruch schon einmal gebracht hat? »Die hochgeheime Operation, an der teilzunehmen ich das Privileg hatte, wurde mir im Anschluss von ihren Planern – auf höchster Ebene – als bestätigter, unblutiger Sieg über einige ausgemachte Schurken beschrieben.« Ein ironischer Unterton schleicht sich in seine Stimme, den er vergeblich zu verbannen sucht: »Und ja, nicht ausgeschlossen , dass meine bescheidene Rolle bei dieser Operation ihren Teil zu meiner Abordnung beigetragen hat, denn die Planer waren auch so nett, mir zu sagen, dass ich phantastische Arbeit geleistet hätte, ein Orden aber leider zu auffällig wäre. Das war allerdings nicht die Begründung der Personalabteilung, als mir der Posten angetragen wurde – Belohnung für lebenslange Dienste , so haben sie ihn mir schmackhaft gemacht, nicht dass dafür große Mühen nötig waren, und bei dir auch nicht, wenn ich mich recht entsinne« – verzeihlicher Seitenhieb. »War die Personalabteilung – oder Human Resources oder wie zum Teufel die sich heutzutage nennen – im Bilde über meine Rolle bei einem gewissen höchst heiklen Einsatz? Ich bezweifle es. Ich würde tippen, dass sie nicht mal das bisschen wussten, das du weißt.«
Hat er sie überzeugt? Wenn Suzanna diesen Blick hat, kann in ihr alles vorgehen. Er trumpft auf – immer ein Fehler:
»Sieh mal, Liebling, wem willst du letzten Endes mehr glauben? Mir und der Oberliga des Ministeriums? Oder irgend so einem armen, glücklosen Exsoldaten?«
Sie nimmt seine Frage ernst. Wägt sie ab. Ihr Gesicht verschlossen gegen ihn, ja, aber auch fleckig, resolut, herzzerbrechend in seiner unbeugsamen Redlichkeit, das Gesicht einer Frau, die den besten Jura-Abschluss ihres Jahrgangs hingelegt, aber nie davon Gebrauch gemacht hat bis zu dieser Sekunde; das Gesicht einer Frau, die dem Tod ins Auge geblickt hat, die grauenhafteste medizinische Eingriffe über sich ergehen lassen musste und der dabei nur die eine Sorge anzumerken war: Wie soll Kit ohne sie zurechtkommen?
»Hast du sie danach gefragt , diese Planer – ob es unblutig war?«
»Natürlich nicht.«
»Warum natürlich?«
»Weil es sich bei Leuten dieses Kalibers verbietet, ihre Integrität in Zweifel zu ziehen.«
»Das heißt, sie haben es von sich aus gesagt. Mit diesen Worten? ›Die Operation war unblutig‹ – einfach so?«
»Ja.«
»Warum?«
»Um mich zu beruhigen, nehme ich an.«
»Oder um dich hinters Licht zu führen.«
»Suzanna, das ist deiner nicht würdig!«
Oder meiner nicht würdig?, fragt er sich bedrückt, nachdem er erst wütend in sein Ankleidezimmer gestürmt ist, um sich nach einer Weile unbemerkt ins Ehebett zu schleichen und Stunde um Stunde todunglücklich ins Halbdunkel zu starren, während Suzanna ihren reglosen Medikamentenschlaf schläft. Und irgendwann im Lauf der nicht enden wollenden Dämmerung stellt er fest, dass ein unterbewusster Denkprozess ihm einen scheinbar spontanen Entschluss beschert hat.
***
Leise stand er aus dem Bett auf und stahl sich über den Flur, um eine Flanellhose und eine Sportjacke anzuziehen und das Handy vom Ladegerät abzustöpseln. Er verharrte kurz vor Emilys Zimmertür – keine Aufwachgeräusche –, schlich dann die Hintertreppe hinunter in die Küche und setzte gerade einen Kaffee auf (der unverzichtbare erste Schritt zur Verwirklichung seines Plans), als von der offenen Tür zum Obstgarten die Stimme seiner Tochter kam.
»Hast du zufällig eine Tasse übrig, Dad?«
Emily nach ihrem Morgenlauf mit Sheba.
Zu jeder anderen Zeit wäre Kit für einen gemütlichen Schwatz mit ihr zu haben gewesen, nur nicht heute; umso weniger ließ er sich bitten. Als er ihr gegenüber am Kieferntisch Platz nahm, sah er den entschlossenen Ausdruck auf ihrem Gesicht und wusste, dass sie auf ihrem Weg Bailey’s Hill hinauf das Licht in der Küche gesehen und kehrtgemacht hatte.
»Sagst du mir vielleicht, was los ist?«, fragte sie knapp, ganz die Tochter ihrer Mutter.
»Was los ist?« – ein kraftloses Lächeln. »Warum soll etwas los sein? Deine Mutter schläft, ich koche mir einen Kaffee.«
Aber Emily machte keiner etwas vor. Nicht mehr. Nicht, seitdem dieser Schuft Bernard sie betrogen hatte.
»Was war das gestern beim Jahrmarkt?«, verlangte sie zu wissen. »Bei dem Lederstand. Du kanntest den Mann, aber du hast es geleugnet. Er hat dich Paul genannt und Mum irgendeinen komischen Zettel in die Tasche
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