Empfindliche Wahrheit (German Edition)

gesteckt.«
    Kit hatte es vor langem aufgegeben, die fast schon telepathische Kommunikation zwischen seiner Frau und seiner Tochter begreifen zu wollen.
    »Ich fürchte, das ist nichts, was ich mit dir besprechen könnte«, erwiderte er obenhin, ohne sie anzusehen.
    »Und mit Mum kannst du es auch nicht besprechen, ja?«
    »Ganz richtig, Em. Und mir gefällt das kein bisschen besser als ihr. Unglücklicherweise unterliegt es strikter Geheimhaltung. Wie deine Mutter sehr wohl weiß. Und sie akzeptiert es. Vielleicht solltest du das auch.«
    »Ich bekomme von meinen Patienten alle möglichen Geheimnisse anvertraut und tratsche sie nicht herum. Wie kommst du auf die Idee, Mum würde deine Geheimnisse weitertratschen? Sie ist die Diskretion in Person. Du könntest dir eine Scheibe abschneiden von ihr.«
    Zeit, sich auf sein hohes Ross zu schwingen:
    »Weil wir hier von Staats geheimnissen reden, Emily. Nicht von meinen eigenen Geheimnissen oder denen deiner Mutter. Sie sind mir anvertraut worden, niemandem sonst. Die einzigen Menschen, mit denen ich darüber sprechen kann, sind die, die sie bereits kennen. Was die Sache zu einer ziemlich einsamen Angelegenheit macht, muss ich sagen.«
    Und mit dieser zarten Andeutung von Selbstmitleid erhob er sich, küsste sie auf den Scheitel, stelzte über den Hof in sein improvisiertes Büro, schloss die Tür ab und fuhr den Computer hoch.
    Ihre persönlichen und vertraulichen Anfragen richten Sie bitte an Marlon.
    ***
    Sheba blickt erhobenen Hauptes aus dem Rückfenster des beinah neuen Landrovers, der das Wohnmobil abgelöst hat, als Kit zielstrebig Bailey’s Hill hinauffährt und einen verlassenen Rastplatz neben einem keltischen Kreuz ansteuert, von dem man Aussicht auf den aus dem Tal aufsteigenden Frühnebel hat. Den ersten Anruf kann er sich eigentlich schenken, aber Berufsethos und ein Bedürfnis nach Absicherung lassen ihm keine andere Wahl. In der Telefonzentrale des Außenministeriums hebt eine resolute Dame ab, die ihn auffordert, laut und deutlich seinen Namen zu sagen. Das tut er, einschließlich des Sir . Nach einer Pause, die so lang dauert, dass er mit Fug und Recht auflegen könnte, teilt sie ihm mit, dass der ehemalige Staatsminister Mr. Fergus Quinn seit drei Jahren nicht mehr im Amt ist – was Kit sehr wohl bekannt ist, ihn aber nicht davon abhält, zu fragen – und dass sie keine Nummer von ihm hat und auch keine Nachrichten weiterleiten kann. Ob sie Sir Christopher – endlich, danke! – mit dem Amtschef verbinden darf? Nein danke, das darf sie nicht, Sir Christopher lässt deutlich durchblicken, dass ein Amtschef weit hinter dem erforderlichen Grad der Geheimhaltung zurückbliebe.
    So, ich hab’s versucht, und es ist protokolliert. Jetzt der knifflige Teil.
    Er zieht das Stück Papier hervor, auf dem er Marlons Nummer notiert hat, tippt sie in sein Handy, stellt maximale Lautstärke ein, weil auf sein Gehör nicht mehr hundertprozentig Verlass ist, und drückt rasch, ehe er es sich anders überlegen kann, auf »Verbinden«. Während er angespannt auf das Läuten lauscht, macht er sich plötzlich klar, dass es in Houston mitten in der Nacht ist, und hat die Vision eines schlaftrunkenen Marlon, der nach dem Telefon auf seinem Nachttisch tastet. Stattdessen meldet sich eine rüstige texanische Matrone:
    » Schön , dass Sie sich an Ethical Outcomes wenden. Nicht vergessen: Für uns von Ethical steht Ihre Sicherheit an erster Stelle!«
    Dann ein martialischer Tusch, gefolgt von der ur-amerikanischen Stimme von Marlon:
    »Hi! Hier spricht Marlon. Ethicals Grundsatz der Integrität und Diskretion garantiert Ihnen strikte Vertraulichkeit in jeder Phase Ihrer Anfrage. Leider können wir Ihren persönlichen und vertraulichen Anruf zurzeit nicht selbst entgegennehmen. Aber hinterlassen Sie eine einfache Nachricht von nicht mehr als zwei Minuten Dauer, und Ihr persönlicher Berater ruft Sie umgehend zurück. Bitte sprechen Sie nach dem Tonsignal.«
    Hat Kit seine einfache Nachricht von nicht mehr als zwei Minuten Dauer parat? Nach der langen Nacht anscheinend ja:
    »Hier ist Paul mit einer Nachricht für Elliot . Elliot, hier spricht Paul von vor drei Jahren. Es hat sich ein recht unangenehmer Vorfall ereignet, ohne mein Zutun, möchte ich gleich dazusagen. Ich muss Sie dringend sprechen, nicht über Festnetz klarerweise. Sie haben meine Handynummer, es ist dieselbe wie damals, unverschlüsselt natürlich. Ich würde Sie gern so bald wie möglich treffen. Wenn Sie