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Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Titel: Empfindliche Wahrheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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nicht selbst kommen können, verschaffen Sie mir doch bitte jemanden, mit dem ich reden darf. Damit meine ich jemanden, der über die Hintergründe Bescheid weiß und ein paar etwas beunruhigende Lücken in der Geschichte schließen kann. Wäre schön, wenn ich recht bald von Ihnen hören könnte. Danke. Paul.«
    Mit dem angenehmen Gefühl, einer schwierigen Aufgabe in unter zwei Minuten gerecht geworden zu sein, legt er auf und beginnt mit Sheba einen Reitweg entlangzumarschieren. Aber nach wenigen hundert Metern verlässt ihn die Zufriedenheit. Wie lange wird er warten müssen, bis jemand zurückruft? Und vor allem, wo soll er warten? In St. Pirran hat man keinen Empfang – ob über Vodafone, Orange oder wie sie alle heißen. Wenn er nun heimfährt, wird er nur darüber nachgrübeln, wie er wieder wegkommt. Zu gegebener Zeit wird er seine Damen natürlich näher in seine Bemühungen einweihen – aber erst, wenn sie gefruchtet haben.
    So dass die Frage lautet: Gibt es einen Mittelweg, eine Finte, die ihn in Reichweite von Marlon bringt, aber außer Reichweite seiner Damen? Antwort: der dröge Rechtsanwalt in Truro, den er kürzlich mit der Klärung von ein paar unbedeutenden Erbangelegenheiten betraut hat. Angenommen, er behauptet, es sei da ein Problem aufgetaucht, irgendeine verzwickte Rechtsfrage, die eilig auseinanderklamüsert werden muss? Und ihm wäre der Termin über dem ganzen Wirbel erst jetzt wieder eingefallen? Zur Not geht es. Nächster Schritt: Suzanna Bescheid sagen, was Mut erfordert, aber den muss er eben aufbringen.
    Er ruft Sheba und kehrt zum Landrover zurück, steckt das Handy in seine Hülle, dreht den Zündschlüssel und erschrickt zu Tode, als mit maximaler Lautstärke ein Anruf eingeht.
    »Ist da Kit Probyn?«, plärrt eine Männerstimme.
    »Hier Probyn, ja. Wer spricht dort?« – hastig stellt er den Ton leiser.
    »Mein Name ist Jay Crispin von Ethical. Hab schon einiges von Ihnen gehört. Elliot ist derzeit nicht greifbar – auf großer Fahrt, wie wir gern sagen. Aber wenn Sie stattdessen mit mir vorliebnehmen würden?«
    Binnen Sekunden, so scheint es ihm, ist die Sache geritzt: Sie werden sich treffen, und nicht irgendwann, sondern gleich heute Abend. Keine Ausflüchte, kein Hin und Her. Eine freimütige britische Stimme, kultiviert, einer von uns, und kein bisschen defensiv, was allein schon Bände spricht. Ein Mensch, wie man ihn unter anderen Umständen gern zum Bekannten hätte – das und mehr gab er sorgsam abgetönt an Suzanna weiter, während sie hastig seine Garderobe vervollständigten, damit er den 10 : 41 -Zug in Bodmin Parkway noch erreichte.
    »Sei stark , Kit«, mahnte Suzanna und umarmte ihn mit der ganzen Kraft ihres zerbrechlichen Körpers. »Das Problem ist ja nicht, dass du schwach wärst. Überhaupt nicht. Nein, mehr, dass du gütig und vertrauensvoll und loyal bist. Jeb war auch loyal. Das hast du doch gesagt. Oder?«
    Hatte er das? Vermutlich. Aber, erinnerte er sie weise, die Menschen ändern sich, Liebling, selbst die besten, weißt du? Und manche verlieren glatt den Verstand.
    »Und du fragst diesen Mister Big, wer immer er ist, auf den Kopf zu: ›Hat der arme Jeb die Wahrheit gesagt, und mussten eine Mutter und ihr Kind sterben?‹ Ich brauche nicht zu wissen, worum es bei der Sache ging. Ich weiß, dass ich das nie erfahren werde. Aber wenn das, was Jeb auf diese schreckliche Quittung geschrieben hat, stimmt, und wenn das der Grund ist, warum wir in die Karibik durften, dann müssen wir uns dem stellen. Wir können nicht mit einer Lüge leben, so groß die Versuchung auch sein mag. Oder, Kit? Ich kann es jedenfalls nicht«, ergänzte sie.
    Und von Emily kam es noch ungeschminkter, als sie auf den Bahnhofsvorplatz bogen:
    »Völlig egal, was da los war, Dad, Mum braucht echte Antworten.«
    »Ob du’s glaubst oder nicht: ich auch !«, fuhr er sie in einer Aufwallung zorniger Verletztheit an, die ihm sofort leidtat.
    ***
    Das Connaught Hotel im Londoner West End war nicht die Art Etablissement, in das Kits Weg ihn bislang geführt hatte, ein Umstand, den er fast ein bisschen bedauerte, denn als er allein inmitten geschäftiger Kellner in der postmodernen Pracht der Lounge saß, schienen ihm der ältliche Anzug und die rissigen braunen Schuhe, die er in aller Eile aus dem Schrank gezerrt hatte, doch nicht ganz die ideale Kleidung.
    »Falls mein Flieger Verspätung hat, sagen Sie einfach, dass Sie auf mich warten, dann kümmert man sich schon um Sie«, hatte

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