Empty Mile
spätestens nach diesem Unfall hatte er die Botschaft kapiert. Darum hat er mir das Land überschrieben, nicht wegen irgendeinem Steuerquatsch. Er wusste, dass Gareth es auf ihn abgesehen hatte.«
Marla beugte sich vor, stützte die Ellbogen auf die Knie und strich sich mit den Fingern durch das Haar. Sie atmete langsam aus. »Ich ertrag das nicht mehr. Ich ertrage diese endlosen Diskussionen nicht mehr, warum Gareth dies oder warum Gareth das gemacht hat. Wir akzeptieren entweder, dass er ein Tier ist, und versuchen, damit zu leben, was er Pat angetan hat, und möglicherweise Ray, oder …« Sie hob den Kopf und sah mir in die Augen. »Oder wir sprechen darüber, ihn ein für alle Mal zu beseitigen.«
Wir schwiegen eine sehr lange Zeit. Schließlich ergriff sie wieder das Wort.
»Also, machen wir es?«
»Machen wir was?«
»Darüber reden, wie wir ihn loswerden.«
»Herrgott, Marla, bitte …«
»Es wäre für alle das Beste, Johnny. Wirklich.«
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Kapitel Dreiunddreißig
An diesem Sonntag wuchs der Gedanke, dass Gareth meinen Vater getötet hatte, in mir heran wie eine tückische Perle in einer Muschel. Alles, was ich in Erfahrung gebracht hatte, stützte meine Theorie. Es erklärte das Verschwinden meines Vaters, das so überhaupt nicht zum Charakter dieses Mannes passte. Und da ich wusste, zu welchen Gewaltausbrüchen Gareth fähig war, schien es mir eine denkbare Reaktion auf die Tatsache zu sein, dass mein Vater ihn um die Möglichkeit gebracht hatte, sein unrentables Motel am See zu retten.
Er hatte Patricia Prentice kaltblütig in den Selbstmord getrieben und Jeremy Tripps Tod eingefädelt. Was sprach dagegen, dass er es mit meinem Vater nicht ebenso gemacht hatte? Aber natürlich hatte ich keinen Beweis, keinerlei eindeutige Indizien, die die Frage so oder so beantworten konnten. Und dieses Wissen um mein Nichtwissen quälte mich und raubte mir den Schlaf, sodass das Unheil am Montag quasi vorprogrammiert schien.
An dem Morgen war es draußen kalt. Stan hatte eine Erkältung und kam nicht mit zum Fluss. Feiner Nieselregen hing in der Luft, sammelte sich auf dem Laub der Bäume und tröpfelte herab, machte die Oberfläche des Flusses milchig. Gareth und ich waren nach fünfundzwanzig Minuten nass bis auf die Haut, arbeiteten mit gesenkten Köpfen, froren und redeten kaum ein Wort miteinander. Er stand neben mir an der Rinne, und als ich ihn in so unmittelbarer Nähe sah, mit diesem schrecklichen Wissen, das er meiner Meinung nach hüten musste, während er so tat, als hätte er nichts anderes im Sinn als ein ehrliches Tagwerk hinter sich zu bringen, da kochte die aufgestaute Wut in mir endgültig über, und ich schleuderte ihm eine Schaufel Erde ins Gesicht.
Gareth zuckte zurück, hustete, blinzelte, versuchte, den Blick zu klären, und nannte mich einen Idioten. Ich packte ihn an der Jacke und stieß ihn rückwärts in den Fluss. Er ging unter, kam wieder hoch und blieb einen Moment mit triefnassem Gesicht und zuckendem Mund sitzen, starrte mich an und versuchte zu begreifen, was los war. Ich überlegte mir, ob ich mich einfach auf ihn stürzen, ihm die Hände um den Hals legen und ihn unter Wasser drücken sollte, bis er reglos und tot war, doch dann bewegte er sich, und meine Wut ließ nach.
Er kletterte aus dem Fluss, dann standen wir einander am Ufer gegenüber. Ich rechnete damit, dass er ein wütendes Gesicht machen und vielleicht hastig eine Drohung ausstoßen würde, dass er womöglich wegen Jeremy Tripp zur Polizei gehen würde. Aber ich sah nur Schock und gekränkte Verwirrung, als hätte ich einen unausgesprochenen Kodex zwischen uns verletzt.
»Herrgott, Mann«, platzte ich heraus. »Warum hast du das gemacht? Das Video.«
»Das Video?«
»Die DVD von mir und Marla, du Arschloch. Du hast sie nicht Bill geschickt. Du hast sie an Pat geschickt. Und das hatte rein gar nichts mit der Straße zum See zu tun.«
»Wenn du es sagst.«
»Hör auf, mich zu verarschen. Ich weiß, dass Pat meinem Vater das Land verkauft hat. Das Video sollte den Verkauf verhindern, oder nicht? Es sollte sie umstimmen, bevor er eine Chance hatte, das Land in seinen Besitz zu bringen.«
Gareth sah mich abschätzend an, dann schien er einen Entschluss zu fassen. »Du willst etwas über das Video wissen? Na gut. Das Ganze war sowieso eine elende Zeitverschwendung für mich.«
Er drehte sich um und ging zu den Bäumen am Flussufer. Ich folgte ihm. Unter den Zweigen einer Fichte fanden wir ein wenig
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