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Empty Mile

Empty Mile

Titel: Empty Mile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Stokoe
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und griff zum Bogen. Er legte einen Pfeil ein und spannte die Sehne. Einen Moment stand er starr in dem grellen Licht, dann flog der Pfeil über den Rasen, bohrte sich in den Bauch des Kaninchens und nagelte das Tier am Boden fest. Es lag mit zuckenden Beinen im Gras, während Blut sein Fell dunkel färbte und es schrie wie ein verbrennendes Kind.
    Jeremy Tripp ging wieder zu Marla, stieg auf sie und stieß in sie hinein. Auf dem Rasen schrie das Kaninchen immerzu weiter, während ich mir die Ohren zuhielt, die Augen zusammenkniff und versuchte, nicht zu spüren, wie die Welt um mich herum in die Brüche ging.
     
    Hinterher, auf dem Weg von den Slopes bergab, rauchte Marla im Auto eine Zigarette nach der anderen. Wir redeten nicht miteinander. Was hätten wir auch sagen sollen? An diesem Punkt schienen Vorwürfe so sinnlos wie Entschuldigungen.
    Ich fuhr zu mir. Stan schlief auf der Couch im Wohnzimmer. Der Fernseher war noch eingeschaltet; Nickelodeon war Stans Kanal. Auf dem Boden lagen eine Cola-Dose und eine leere Tüte Kartoffelchips. Ich weckte ihn und führte ihn nach oben in sein Zimmer. Während ich ihn zu Bett brachte, duschte Marla, dann saßen wir zu zweit in der Küche und tranken Bourbon, bis der Alkohol die Bilder der Nacht so verwischte, dass wir uns trauten, das dunkle Schlafzimmer aufzusuchen.
    »Du weißt, dass Gareth uns beide hasst?«, fragte sie, während sie sich auszog.
    »Dich muss er jedenfalls hassen, so viel steht fest.«
    »Und dich auch. Es hat ihm gefallen, dass er dir das antun konnte. Du hättest mich bei mir abholen können. Stattdessen hat er mich zum See gefahren und hat dich extra herkommen lassen. Warum? Weil er dabei sein wollte, wenn du es erfährst. Er wollte sehen, wie sehr es dich quält.«
    Später, kurz bevor wir in einen alkoholseligen Schlaf fielen, presste sie das Gesicht an meinen Hals und bat mich flüsternd, ihr zu versichern, dass sich nichts zwischen uns geändert hätte. Den Gefallen tat ich ihr, denn ich wusste, wenn diese grauenhafte Nacht auch entsetzlich gewesen war, es wäre noch viel schlimmer, ohne sie zu sein und nicht wenigstens versuchen zu können, etwas von dem wiedergutzumachen, was ich ihr angetan hatte.

[zurück]
    Kapitel Sechzehn
    Am nächsten Morgen, als Marla zur Arbeit gegangen war, ging ich nach draußen, setzte mich in den Garten und zwang mich, nicht mehr daran zu denken, wie sie unter Jeremy Tripp gelegen hatte. Das machte ich ziemlich lange, bis ich mich meinem anderen Problem zuwandte – wie zum Teufel ich das Haus halten sollte.
    Wenn wir wegziehen mussten, würde das Stan traumatisieren; falls es eine Möglichkeit gab, ihm den Verlust seines Zuhauses zu ersparen, musste ich sie finden. Die einzige Lösung, die mir momentan einfiel und die auch die Bank zu favorisieren schien, war die, das Grundstück in Empty Mile zu verkaufen. Aber ich hatte meinem Vater das Versprechen geben müssen, dass ich das unter keinen Umständen machen würde. Aber warum eigentlich? Was war so wichtig an einem Stück Land, dass mein Vater sich im Alter von siebenundfünfzig Jahren noch einmal hoch verschuldete, um es zu kaufen?
    Stan und ich trafen uns an diesem Nachmittag mit einem potenziellen Kunden in der Lagerhalle. Alles andere, was wir uns vorgenommen hatten, ließ sich auch auf einen anderen Tag verschieben. Als ich Stan sagte, dass wir uns freinehmen würden, schien er anfänglich Zweifel zu haben, überlegte es sich aber ziemlich schnell anders, als ihm klar wurde, dass er Rosie besuchen konnte.
    Die Wiese in Empty Mile lag im Sonnenschein; Grillen zirpten im hohen Gras. Auf der Veranda von Millicent Jeffries’ Haus versüßte ein Jasminzweig, der in einem Krug Wasser auf dem Sims des offenen Fensters stand, den Geruch von warmem Holz und Staub. Das Fliegengitter der Verandatür war geschlossen – auf der anderen Seite betrachtete uns die alte Frau durch den Draht.
    »Ich habe mich gefragt, wer das sein könnte.«
    »Stan und ich wollten nur mal Hallo sagen.«
    »Ich dachte mir schon, dass ihr früher oder später vorbeikommt. Rosie wollte euch besuchen, als wir das von eurem Vater gelesen hatten, aber ich sagte ihr, sie solle euch eine Weile in Ruhe lassen. Kommt rein.«
    Die Tür führte direkt in ein Wohnzimmer, das den größten Teil der Vorderseite des Hauses beanspruchte. Es war sauber und roch irgendwie, als wäre alles darin gerade geputzt worden. Wände und Möbel waren hell, und da es sich um einen nicht sehr großen Raum handelte,

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