Empty Mile
quoll jede freie Fläche über von Vasen und Krimskrams. Aber es war ein angenehmer Ort – das Verandadach schirmte das Innere von der Sonne ab, die Luft, die zum offenen Fenster hereinwehte, war kühl.
Millicent saß in einem Polstersessel mit einem quietschenden Mechanismus im Fuß, der es ihr ermöglichte, zu schaukeln. Sie war gerade mit einer Stickerei beschäftigt, nahm den Ring wieder zur Hand und strich mit den trockenen Fingerspitzen geistesabwesend über halb fertige gestickte Blumen. Ich setzte mich auf eine Couch, Stan blieb stehen.
»Ist Rosie da, Mrs Jeffries?«
»In ihrem Zimmer.«
Stan sah unsicher drein.
»Na los, du kannst zu ihr.«
Stan ging durch einen breiten Durchgang in der hinteren Wand, einen Moment später hörte ich ihn an eine Tür klopfen. Millicent sah mich mitfühlend an.
»Es tut uns leid, was wir über Ihren Vater gehört haben. Einfach unbegreiflich. Er machte immer einen so korrekten Eindruck.«
»Und das war er auch.«
»Die Polizei hat keine Hoffnung mehr, ihn zu finden?«
»Anscheinend nicht.«
Millicent nickte versonnen. »Verkaufen Sie das Land?«
»Mein Vater wollte, dass ich es behalte.«
»Na ja, es ist ein schönes Fleckchen Erde.«
»Stimmt, ich habe nur keinen blassen Schimmer, was er damit vorhatte.«
Millicent zuckte die Achseln. »Als ich ihn das erste Mal traf, versuchte er mir schmackhaft zu machen, mein Haus anzubieten. Vielleicht hat er sich einfach in das Grundstück verliebt, als er es gesehen hat. Vielleicht hatte er gar keine Pläne.«
»Wann war das?«
»Im Februar. Ich erinnere mich, weil es mir sonderbar vorkam, zu dieser Zeit des Jahres ein Haus verkaufen zu wollen, aber er sagte, es gäbe eine Menge Leute, die ein Ferienhaus suchen, und er wollte es im Frühling anbieten, dann würde so etwas gekauft werden. Ich hab ihm gesagt, er könne es sich ansehen, denn ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich für so ein Haus viel Geld bekommen würde. Ich meine: Unser Wasser kommt aus dem Regentank da draußen, und für die Toilette gibt es eine Sickergrube … Er hat es natürlich versucht, das müssen die wohl, aber er hat es aufgegeben, als er sah, dass ich es mir nicht anders überlegen würde. Am Ende sprachen wir dann ausgerechnet über Gold.«
»Gold?«
»Ja, er und der junge Mann, den er dabeihatte, waren beide Hobby-Prospektoren, und zufällig kam einer meiner Vorfahren, ein Engländer, wie Ihr Vater, im Goldrausch nach Kalifornien und führte eine Art Tagebuch. Ihr Vater fragte mich, ob er es sehen dürfe. Er schien sich sehr für die Geschichte der Gegend zu interessieren.«
»Wer war der Mann in seiner Begleitung?«
»Ich weiß nicht, vielleicht ein Freund. Er hatte jedenfalls anscheinend nichts mit dem Beruf Ihres Vaters zu tun.«
»Steht in dem Tagebuch etwas über dieses Land hier?«
»Ich glaube schon. Es ist lange her, seit ich einen Blick hineingeworfen habe. Es hat mich nie so sehr interessiert.«
Da kamen Stan und Rosie ins Zimmer. Rosie sah wie üblich zu Boden, doch auf dem Weg zur Tür drehte sie den Kopf leicht zu ihrer Großmutter.
»Wir gehen spazieren.«
Dann verließ sie das Haus. Stan folgte ihr auf den Fersen. Ich sah zu, wie sie hinausgingen, und als ich wieder zu Millicent blickte, stellte ich fest, dass sie mich beobachtet hatte.
»Sie müssen sich keine Sorgen machen.«
»Worüber?«
»Dass er sie schwängert. Das habe ich Ihrem Gesicht angesehen.«
»Stan hat nicht viel Erfahrung mit Mädchen. Eigentlich gar keine.«
»Rosie kann keine Kinder bekommen. Mit sechzehn hat man ihre Eileiter durchtrennt. Da war sie in einem Heim für schwer erziehbare Jugendliche und äußerst verschlossen. Niemand wusste, was aus ihr werden würde, aber es hieß, die Operation sei das Beste für sie, da sich früher oder später mit Sicherheit einer der Jungs an sie ranmachen würde. Ich musste zustimmen. Was hätte ich tun sollen? Sie kann kein Kind versorgen.« Millicent betrachtete die Stickerei auf ihrem Schoß und fuhr nach einer Weile fort. »Es war das Beste.«
Sie betonte die Worte nachdrücklich, dann nickte sie.
»Sie wollten wissen, ob in dem Tagebuch etwas über dieses Land hier steht. Das können Sie selbst nachlesen, wenn Sie möchten. Es ist da drüben.« Sie zeigte zu einem kleinen Regal unter einem der Fenster. »Das graue am Ende.«
Ich holte mir das genannte Buch. Millicent wandte sich wieder ihrer Stickerei zu; während sie die Nadel mit dem bunten Faden durch das straff gespannte Leintuch
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