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Ende einer Welt

Titel: Ende einer Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Anet
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blieben
– auch dies war ein Zeichen dafür, daß die
Zeiten sich geändert hatten – vergeblich. Und schon
gab es Schwarzseher, die dem herrlichen Volke, das sich von seinem
Stammvater, dem großen Bären, herleitete, ein
baldiges Ende voraussagten. So war man mehr denn je darauf bedacht, an
den festgesetzten Riten des Hochzeitsfestes nichts zu
vernachlässigen und an den überlieferten
Gebräuchen, die das Alter der Mädchen, die zugelassen
werden durften, mit sechzehn Jahren festsetzten, nichts zu
verändern.
    Wohl manchen schien dieses Alter zu hoch, und sie wiesen auf
die Schwierigkeit hin, die Mädchen so lange zu hüten.
Hatte es sich doch schon ereignet, daß Mädchen, ohne
die Hochzeit abzuwarten, Kinder bekamen. Zu anderen Zeiten, als das
Volk noch stark war, hatte es dafür nur eine Strafe gegeben:
den Tod für Mutter und Kind. Doch dann hatten zwei
Mädchen in der vorhergehenden Generation prächtige
Knaben zur Welt gebracht. Nach langen Beratungen, in denen alles
erwogen wurde, beschloß man, sie leben zu lassen.
    Jene, die an den alten Gebräuchen hingen, sahen in
dieser Nachgiebigkeit den Grund zahllosen, neuen Unglücks. Die
Furcht war nicht unbegründet, daß andere
Mädchen dem Beispiele folgen würden, die
Töchter des ganzen Stammes in schlechten Ruf geraten
müßten, und daß im Sommer beim Hochzeitsfest
die Jünglinge der anderen Stämme kein
Mädchen aus dem Volke des Bären zum Weibe nehmen
würden.
    Die Mütter bemühten sich strenge,
über ihre Töchter zu wachen. Aber die Frauen
verließen ja kaum den nächsten Umkreis der
Hütten, und die Arbeiten der Töchter, das Sammeln der
Kräuter und Beeren, der Fischfang, das Einbringen der
Tannenzapfen riefen diese oft hinaus. So wurde angeordnet, daß
die Mädchen niemals einzeln, sondern stets nur in
größeren Gruppen weggehen durften.
    Mah und ihre Freundinnen ruhten an der Lehne eines
Hügels. Während des Nachmittags hatten sie Blumen
für ein Fest gesammelt, das in jedem Frühjahr zur
Feier des Wiedererwachens der Natur nach langem Winter begangen wurde.
    Ermüdet wanden ihre Hände Girlanden, in
denen Waldrebe und Efeu einander umrankten. Eine einzelstehende Eiche
auf dem Gipfel eines Hügels, ein heiliger Baum, sollte damit
geschmückt werden. Alljährlich, wenn frisches
Grün an ihm sprießte, kamen die Mädchen, um
ihn in der Dämmerung zu bekränzen. Und
während sie arbeiteten, sangen sie halblaut, als summten
Bienen auf blumiger Wiese, althergebrachte Worte zu vorgeschriebenem
Takt, wie der überlieferte Brauch es verlangte. Denn nur auf
diese Weise schlang man mit den duftenden Fesseln geheimnisvolle Bande
um all die Geister, die in Wäldern und Tälern
hausten, und machte sie sich freundlich gesinnt. Es war ein Vers, der
sich in wenig Takten zur Melodie entfaltete, um immer wieder zu einem
eintönigen Beginn zurückzukehren. Hohe und tiefe
Stimmen wechselten miteinander ab, als verfolgten sie einander, ohne
ihren sehnsüchtigen Wunsch, einander zu erreichen, jemals
erfüllen zu können. Dann und wann kam in
unregelmäßigen Zwischenräumen und
unbegründet ein rascher Übergang der Melodie und
stieg wie ein Pfeil zum Himmel.
    Auch in diesem Jahre zogen die Mädchen, als der Abend
sank, auf den Hügel, den die heilige Eiche krönte. Es
war ein uralter Baum, dessen Stamm zwar nicht allzustark, doch knotig
und hart wie Stein war. Mehrfach hatte der Blitz ihn schon getroffen.
Jedes Mädchen trug in seiner linken Hand einen Eichenzweig,
der vom vorigen Jahr in den Hütten aufbewahrt worden war. Auf
der Höhe angelangt, schichteten sie die Zweige zu einem
Stoß, den sie weinend und wehklagend anzündeten. Als
die Flammen erloschen waren, schritten sie zweimal im Kreise um den
Baum und sangen langsam und in klagender Art ihre Verse. Dann wurden
die Girlanden, die sie vorbereitet hatten, an den Zweigen befestigt,
und sobald dies geschehen war, umstellten die Mädchen wieder
im Kreise den Baum und machten ihm mit vor der Brust gekreuzten Armen
eine Reihe tiefer Verbeugungen. Sie neigten wiederholt den
Oberkörper nach rückwärts und senkten ihn
wieder vor, womit die Bewegungen des Baumes nachgeahmt wurden, der vom
Winde geschüttelt wird. Im Augenblick, da die Sonne sank,
pflückten sie grüne Zweige vom Baume, die sie, laute
Freudenschreie ausstoßend, heftig durch die Luft schwenkten.
Noch zweimal, jetzt aber in fröhlichem und raschem Takt,
tanzten sie, einander

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