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Ende einer Welt

Titel: Ende einer Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Anet
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war die Witterung noch
rauh. Zweimal fiel sogar noch Schnee. Doch die Sonne ließ ihn
bald zergehen, und er tränkte nur das Moos mit seinem Wasser.
    Ganz plötzlich, über Nacht, kam der
Wetterumsturz. Der Wind, der jetzt von Süden wehte, brachte
mit einem fast warmen Regen so lauen Dunst, daß selbst die
Greise ihre dürren Knochen reckten und davon durchdrungen
wurden. Die jungen Leute hielten, verwirrt von unklaren
Wünschen, die ihnen alle Kraft raubten, in ihren Arbeiten ein.
Die Hänge der Hügel bedeckten sich mit Anemonen,
Glockenblumen und Veilchen. Die geschwellten
Sprößlinge an den Zweigen von Birke und Buche
erzitterten vor Wollust, als die ersten Sonnenstrahlen
zärtlich über sie hintasteten. In wenigen Tagen holte
die Natur alles nach, was sie in den letzten sechs Wochen
versäumt hatte. Der brausende Strom all der Kräfte,
die viel zu lange in ihrem Schlummer zurückgehalten worden
waren, brach sich kraftvoll seinen Weg zum Licht. Menschen, Tiere,
Bäume und Pflanzen, die der gleiche Quell des Weltalls
beseelt, fühlten betäubt und zitternd die entfesselte
Gewalt. Seine Gewässer vermochte der Fluß nicht mehr
zu bändigen, und schäumend brachen sie über
die Ufer. Die Erde selbst öffnete breit ihre Poren, um Licht
und Wärme in gierigen Zügen zu atmen.
    Auf der Asche vor der Hütte ruhend, träumte
Mah. Der warme Wind erschlaffte sie. Wohl war sie erst knapp
fünfzehn Jahre, doch ihre Züge waren die eines
gereiften Mädchens. Klein und rund war der Kopf, klein das
Antlitz, die Nase lang und schmal, ganz gerade Brauen standen
über Augen, deren Iris an die Farbe welker Blätter
gemahnte. Die Wangen, oben ein wenig voll hervortretend,
verschmälerten sich bis zu dem zart geformten Kinn. Die
sorgfältig mit kleinen Fasern gebundenen Flechten fielen auf
die noch schmächtigen Schultern. Mah verstand schon ihre
schön geschwungenen frischen Lippen mit ein wenig Ocker zu
färben. Ihr Hals war geschmeidig wie der eines Schwans und
glich, vom Atem geschwellt, dem einer Taube. In ihren Schritten lag
träumendes Sehnen, das die Männer verwirrte.
    Überwältigt von den milden Lüften
ringsum vernachlässigte sie ihre Arbeit, und doch gab es so
viel zu tun, Felle zu putzen und geschmeidig zu machen, das Feuer zu
unterhalten, die Mahlzeit zu bereiten, Kleidungsstücke zu
richten ... Ihre Mutter begann zu schelten. Manchmal versetzte sie der
jungen Mah sogar einen derben Klaps, den diese als eine zwar
schmerzliche, aber doch so natürliche Sache empfand,
daß kein Groll in ihr zurückblieb.
    Übrigens war Bahili auch mit Zärtlichkeiten
nicht geizig. Dieses starke Weib, das kaum mehr sein sicheres Obdach
verließ, war in seiner Häuslichkeit sehr
tätig. So schweigsam Timaki, ihr Mann, war, so
geschwätzig war sie selbst. Solange der Tag dauerte, stand ihr
Mundwerk nicht still. Wenn es an Zuhörern fehlte, kam sie
nicht in Verlegenheit und zögerte nicht, sich selbst mit
lauter Stimme Belehrungen zu erteilen. Zu ihren beliebten
Aussprüchen gehörte: »Feuchtes Moos
wärmt schlecht« oder »Die Zunge reicht
weiter als der Speer«. Und zu Mah, wenn sie träge
war, sprach sie: »Frauen schwitzen, Mädchen
sitzen.« Wenn Timaki zur Jagd aufbrach, sprach sie, um ihn zur
rascheren Heimkehr zu ermuntern: »Was man draußen
ißt, bekommt einem nicht.« Solchen
Schwätzerinnen ist es zu verdanken, wenn die Sprache in ihrer
Reinheit erhalten bleibt.
    Trotz der Vorstellungen ihrer Mutter konnte Mah mit ihrer
Arbeit nicht recht vorwärtskommen. Wohl war sie gezwungen, vor
der Hütte zu hocken, doch ihr Geist wanderte in weite Ferne.
Aus ihren Gesprächen mit No hatte sie viele Dinge erfahren.
Sie sehnte sich danach, in die wundervollen südlichen
Länder zu gelangen, von denen er erzählt hatte.
    Und ein Teil ihrer selbst war wirklich schon dort gewesen. Ja,
wenn sie schlief, löste sie sich von dem Orte, auf dem ihr
Körper lag, und fand sich in jene fernen Gegenden versetzt, in
denen die Sonne heiß brannte und man nur die Hand
auszustrecken brauchte, um die köstlichsten Früchte
von den Bäumen zu pflücken, die sie im
Übermaß darboten. Dort fühlte sie sich wohl,
als wäre es ihre wirkliche Heimat. Nicht einmal die Menschen
blickten erstaunt auf sie, die ihnen gar keine Fremde zu sein schien.
Manchmal sah sie einen jungen Mann, der sich ihr näherte, sie
fühlte seinen heißen Atem, er nahm sie in seine Arme
...
    Erschöpft und müde

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