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Ende einer Welt

Titel: Ende einer Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Anet
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an den Händen fassend, um den Baum, dann
verließen sie, noch immer ihre Hände festhaltend,
eine fröhlich bewegte, lichte Kette, den Hügel, um in
das dunkelnde Tal hinabzusteigen.
    Mah, als die Jüngste, führte den Reigen.
Efeu und Blumen zierten ihr Haar, um ihren schlanken Hals waren
Narzissen und Veilchen geschlungen. Durch ihr halb geöffnetes
Wams schimmerte die jugendliche Brust, so schwebte sie mit den
geschmeidigen Beinen eines jungen Rehs, das bei jedem Schritt zu
zögern scheint, ehe es das gebogene Bein auf den Boden setzt,
wie die Verkörperung der grünenden Jahreszeit selbst,
mit allen ihren frisch erblühten Reizen verführerisch
über die Wiese.
    Als sie zum Flusse kam, erblickte sie unweit vor sich den
alten Häuptling Rahi, der, auf einem umgestürzten
Stamme sitzend, mit einem der Weisen sprach.
    Rahi blickte auf und der Schar der jungen Mädchen
entgegen, die, immer noch singend, blumengeschmückt
herankamen. Mah erschien ihm wie das Abbild der Jugend, die seine Sinne
schon so lange vergessen hatten. Er sah sich wieder stark und
geschmeidig mit behendem Fuß die Wälder durcheilend.
»Ach,« seufzte er zu sich selbst, »wenn es
jemand vermag, mir für kurze Zeit noch meine einstigen
Kräfte zurückzugeben, so ist es nur dieses
schöne, junge Mädchen.« Ein frischer Strom
pochenden Blutes brauste jetzt fröhlich durch seine Adern.
    Die lichten Gestalten waren entschwunden, ihr
fröhliches Lied verklang in der Ferne, und Rahi dachte immer
noch an Mah, an ihren zögernden Schritt, an den kleinen Kopf,
der auf dem schlanken Hals sich wiegte, an die Blumen in ihrem Haar ...
Langsam, schwer auf seinen Stock gestützt, schritt er seiner
Hütte zu.
    Wo er vorüberging, wichen die Leute scheu zur Seite.
Man liebte ihn nicht, und er empfand dies schmerzlich, denn seit Jahren
hatte das Leben für ihn keinen anderen Inhalt, als die Sorge
um das Wohlergehen seiner Untertanen. Keiner kannte besser als er ihre
Besorgnisse und ihre Leiden, doch vergeblich blieb er bemüht,
sein Volk von ihnen zu erlösen. Die Ereignisse schienen seiner
Zauberkraft zu spotten. Früh gealtert, lebte er einsam und
erkannte verbittert seine Ohnmacht gegen die dem Stamme feindlichen
Geister.
    Auf der hochgelegenen Terrasse, die er allein bewohnte, stand
seine Hütte, die geräumiger war als die seiner
Untertanen. Eine Renntierhaut schied sie in zwei Teile, den einen, wo
er ruhte und seine Gäste empfing, und den zweiten, den
außer ihm niemand betreten durfte. In ihm bewahrte er den
Führerstab, den Herrschermantel und Kopfputz. Auf das
Renntierfell waren gewisse regelmäßige Zeichen
gemalt, deren Sinn außer dem Häuptling selbst und den
Weisen niemand verstand. In diesen Zeichen, deren Ursprung man nicht
kannte, lag die Macht über alle unsichtbaren Kräfte,
die nur die Führer des Stammes besitzen. Nur die Weisen
verstanden sie zu entziffern. Wenn einer von ihnen starb, wurde sein
Nachfolger von den überlebenden in die Deutung eingeweiht. Nur
zitternd wagte man an die Möglichkeit zu denken, daß
alle drei Weisen gleichzeitig abberufen werden könnten, und
auf diese Art die Söhne des Bären für ewige
Zeiten jeder Herrschaft über die Welt der Geister beraubt
würden.
    Ein altes Weib und ihr Sohn, ein Kind noch, sorgten
für den Häuptling, unterhielten sein Feuer und
bereiteten seine Nahrung.
    Rahi streckte sich auf sein Lager. Der Knabe legte frische
grünende Zweige auf die Glut, um einen dichten Rauch zu
erzeugen, der die Mücken verscheuchen sollte. Diese machten
tatsächlich das Land seit den ersten heißen Tagen
unsicher. Tausende wuchsen täglich heran, und ihre
Schwärme verdunkelten manchmal den Himmel. Obwohl die Leute
vom Flusse abgestumpft waren, schützten sie sich vor ihnen,
indem sie vor den Hütten selbst im Sommer Feuer
entzündeten. Das alte Weib kauerte vor seinem Herrn und rieb
zart die Knöchel seiner Füße. Dabei
erzählte sie mit tonloser Stimme Geschichten, auf die er nicht
hörte. Schließlich schlief sie beim Klange der
eigenen Stimme ein.
    Noch spät in der Nacht hing Rahi seinen Gedanken
nach. Was waren seine letzten Jahre gewesen? Ein schwerer Kampf in der
Einsamkeit, seine Frau seit langem tot, sein einziger Sohn von einem
Bison getötet. Das Bild der strahlenden Mah durchzog seinen
Sinn. Mit diesem schönen, frischen Geschöpf zur Seite
würden auch seine Kräfte wiederkehren. Wer konnte es
ihm verwehren, sie zur Frau

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