Ende einer Welt
zu nehmen? Er, als Häuptling, war
der einzige, dem es gestattet war, sich mit einem Mädchen des
eigenen Stammes zu verbinden. Allerdings waren solche Ehen nicht mehr
üblich, und in einem Volke, bei dem die Zahl der Kinder im
Schwinden war, bewahrte man die Mädchen für die
Jünglinge. Doch in früheren Zeiten waren derartige
Verbindungen nicht selten gewesen, und die Erinnerung daran hatte sich
erhalten. Zweifellos würde es genügen, wenn er zu
Timaki von seinem Wunsche spräche, damit Mah, sobald die
Hochzeitsspiele, vor denen niemand ein Weib nehmen durfte, beendet
waren, ihm feierlich zugeführt werde.
Erregt durch diese Gedanken, fand Rahi keinen Schlaf. Er sah
den funkelnden Morgenstern am Himmel aufgehen. Dann erst schlossen sich
seine Augen. Mah erschien ihm auf den Hügeln. Sie lief, und
ihm, dem Greise, fehlten die Kräfte, ihr zu folgen. Dieser
Traum erregte ihn maßlos. Als er stöhnend die Augen
öffnete, sah er einen der Weisen neben sich kauern, der nach
der Ursache seiner Unruhe fragte. Ohne zu zögern,
erzählte der Häuptling seinen Traum. Er war krank,
weil ein Mädchen, das er zum Weibe begehrte, vor ihm floh,
ohne daß er es einzuholen vermochte. Der Weise beruhigte ihn.
Diesem erfahrenen Manne war es wohl bekannt, daß es bei dem
Tode Rahis einen Kampf zwischen den Parteien des Stammes wegen der Wahl
seines Nachfolgers geben würde. Sollte man allen schon
vorhandenen Schwierigkeiten – dieses Jahr stand unter einem
schlechten Zeichen – auch noch inneren Zwiespalt
hinzufügen? Die Voraussicht gebot, daß man dieses
unheilvolle Ereignis solange als möglich verzögerte.
Man mußte Zeit gewinnen und dem mächtigen
Führer jeden unnötigen Kummer ersparen, denn das
ganze Volk lebt durch ihn, wie der Körper durch den Kopf.
Darum sollte er Mah bekommen. Der Weise selbst würde die Sache
mit Timaki ordnen.
Timaki war von dem Vorschlag des Häuptlings
überrascht, doch er gefiel ihm. Keinen vernünftigen
Mann konnte eine derartige Verbindung gleichgültig lassen. Er
hatte die Vierzig überschritten, und mit zunehmendem Alter
wächst der Ehrgeiz. Wenn der Häuptling noch einige
Jahre lebte, wer würde ihm dann nachfolgen? Warum nicht sein
Schwiegervater? Zwischen dem Weisen und Timaki wurde also die
Angelegenheit geordnet.
Als Timaki heimkehrte und die Sache mit seiner Frau besprach,
machte es ihm wenig Mühe, sie zu überzeugen. Bahili
hatte sieben Kinder zur Welt gebracht, und vier davon waren im
Säuglingsalter gestorben. Sie wußte, wie hart das Los
der Frauen war. Man mußte Kinder im Schoße tragen,
sie nähren, unterweisen und kleiden und neben alledem noch
für den Mann sorgen, dessen Ansprüche groß
waren. Wenn er von der Jagd zurückkehrte, gab es nichts
außer ihm! Wieviel tägliche
Verdrießlichkeiten! Sie dachte, daß alle diese
Mühen Mah erspart bleiben würden, denn der
Häuptling wurde vom Stamme ernährt und erhielt von
ihm alles, was er benötigte. Und überdies konnte sie
ihre Tochter in der Nähe behalten. Dieser Umstand erfreute ihr
Mutterherz.
Ähnliche Gedanken entwickelte sie noch am gleichen
Tage Mah, nachdem sie sich sorgsam vergewissert hatte, daß
niemand aus der Nachbarschaft sie belauschen konnte. Wenn man erfahren
würde, daß der Häuptling eine Frau suchte,
würde es nicht wenige Familien geben, die ihm ihre
Töchter antrügen.
Sie besprach alles lange. Als sie innehielt, mußte
sie mit Bestürzung erkennen, daß Mah ihr ohne Freude
zugehört hatte, denn ihr erstes Wort war:
»Der Häuptling ist alt.«
»Er wird dich in Frieden lassen«, antwortete
Bahili. »Ich habe mehr Erfahrung als du. Diese Heirat ist das
Klügste, was es für dich gibt, du kannst es mir
glauben.«
»Ich will keinen Greis zum Mann haben.«
»Du bist ein ganz albernes
Geschöpf,« schloß ihre Mutter, »und
ich bin nicht viel gescheiter, daß ich mich mit dir in
Unterhaltungen einlasse. Du wirst einfach das tun, was uns richtig
scheint.«
Und sie versetzte ihr einen Puff, der die Unterredung beendete.
Ein anderes Mädchen hätte geweint, und seine
Mutter hätte es getröstet. Das erwartete auch Bahili.
Mah aber weinte nicht. Ihr Gesicht blieb verschlossen und trotzig. Das
brachte die gute Bahili ganz außer sich. »Was geht
nur in den Mädchen von heutzutage vor,« dachte sie,
»daß ihnen der Wille ihrer Eltern nichts mehr
gilt.«
Am Nachmittag des nächsten Tages begleitete Mah ihren
Bruder, der fischen
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