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Ende einer Welt

Titel: Ende einer Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Anet
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von ihm
erfundene Art, die Hände seines Herrn zu lecken. Es war das
erstemal, daß Zärtlichkeiten zwischen Mensch und Tier
getauscht wurden. Wenn sein Herr aß, erwischte der Hund oft
einen Knochen zum Nagen. Im rauhen Winter durfte er – o
Wonne! – seinen starren Körper am Feuer
wärmen. So war das Bündnis zwischen Menschen und
Hunden lange noch, bevor ein widerliches Geschick sie beide gezwungen
hatte, ihr Hochtal zu verlassen und ein ruheloses Wanderleben zu
beginnen, entstanden. –
    Die ruhige Sicherheit der drei auf der Wiese rastenden
Jäger verleugnete sich auch nicht, als jetzt Boro, von den
Weisen des Stammes gefolgt, auf sie zuschritt. Da sie den
Häuptling in ihm vermuteten, erhoben sie sich, um ihn zu
begrüßen. Durch Worte vermochten sie sich zwar nicht
verständlich zu machen, doch durch Mienenspiel und Gesten
gelang es ihnen, zum Ausdruck zu bringen, daß sie als Freunde
gekommen seien und mit den Leuten vom Flusse die besten nachbarlichen
Beziehungen unterhalten wollten. Sie boten Boro vom Fleische der
erlegten Jagdbeute an und erwiesen sich als erfahrene Menschenkenner,
indem sie ihre Hunde durch einen Zuruf zu lautem Bellen
veranlaßten, um sie gleich darauf durch ein zweites Wort
wieder zum Schweigen zu bringen.
    Was den Fremden Spiel war, erschien Boro und den Weisen als
ein Werk gefährlichster, schwärzester Zauberei. Diese
Unbekannten benutzten Mittel, von denen die
Bärensöhne bis jetzt nichts geahnt hatten. Wie sollte
man gegen sie kämpfen? Dies waren die Gedanken Boros und der
Weisen während dieser ersten Begegnung, die nicht lange
währte.
    Als die Fremden alles getan hatten, was ihnen nötig
erschien, um die Bewohner der Hütten von ihren guten Absichten
zu überzeugen, pfiffen sie ihren Hunden und schritten wieder
gegen Norden, in die Richtung, aus der sie gekommen waren, davon.
    Bald schon hatte man in Erfahrung gebracht, daß die
Rundschädel – so wurden sie von den Leuten vom
Flusse genannt – in beträchtlicher Zahl im
Nachbartale ihr Lager aufgeschlagen hatten. Ihre auf freier Wiese
errichteten Hütten bildeten ein genaues Quadrat, die
Türen lagen nach der Mitte des Lagers zu. Die
Wohnstätten waren geräumig, und für ihren
Bau verwendeten die Ankömmlinge sorgfältig gekreuzte
Pfähle. An hundert Familien waren hier vereinigt. Ein Zaun
ringsum schützte das Lager gegen umherstreifende Raubtiere.
    Einen halben Tagesmarsch weiter stromaufwärts fand
sich ein gleiches Lager, höher im Norden sollten noch andere
sein, wie man hörte. Wahrhaftig eine große Gefahr!
Man sprach bei den Leuten am Fluß von nichts anderem.
    Die Männer betrachteten die Eindringlinge nach wie
vor mit feindseligen Gefühlen. Wie konnte es auch anders sein,
wenn Scharen eines mächtigen Volkes plötzlich im
Lande auftauchten! Auch näherten sich die
Bärensöhne nicht den Lagerplätzen der
Rundschädel, weil sie täglich zu hören
hofften, daß dieses Nomadenvolk seinen Zug gegen
Süden fortgesetzt habe. Bei den Frauen aber siegte trotz aller
Unruhe die Neugierde. Man mußte doch unverzüglich
wissen, wie diese Leute, die aus so weiter Ferne kamen, hausten! Sie
streiften also rings um die freistehenden Hütten, obwohl sie
sich vor den Hunden fürchteten. Manchmal wurden sie dann
aufgefordert, einzutreten, und man kann sich vorstellen, mit welchem
Eifer die Neugierigen einer solchen Einladung nachkamen, wenn sie sich
zuvor auch lange bitten ließen.
    Das allgemeine Urteil, das sich auf Grund dieser Besuche
bildete, war für die Rundschädel, die als rauhes und
wahrhaft ungeschliffenes Volk erschienen, nicht schmeichelhaft. Was die
Schönheit betraf – die Tatsache sprang in die Augen
– konnten sie sich nicht mit den Leuten des Flusses
vergleichen. Klein und untersetzt waren sie, und selbst der Schnellste
von ihnen hätte es nicht einmal mit dem Langsamsten der
Bärensöhne aufnehmen können. Was ist aber
ein Jägervolk, das im Laufen mittelmäßig
ist! Sie hatten weder geschnitzte noch gemalte Bildchen von Tieren; sie
verstanden in der Tat nicht Horn und nicht Elfenbein zu bearbeiten. Der
Zauber, mit dem sie ihre Hunde beherrschten, mußte also durch
andere Mittel erfolgen, als durch die Wirkung auf deren Bilder.
– Ja, auch Menschenfiguren nachzubilden erwiesen sie sich als
unfähig, und das war doch gewiß in vielen
Fällen auch eine Kunst, der man nicht entraten konnte. Und
– was nach der Meinung der Bärenfrauen

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