Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ende eines Sommers

Ende eines Sommers

Titel: Ende eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Pilcher
Vom Netzwerk:
aufgehängt, die an der Leine zerrte und flatterte, jetzt duckte ich mich darunter und ging auf die Straße. Das Auto kam auf der Fahrspur rumpelnd und schlingernd auf mich zu.
    Ich sah sofort, daß mein Vater nicht allein war. Wegen des schönen Wetters hatte er das Verdeck aufgemacht, und neben ihm saß unverkennbar, mit wehendem rotem Haar, Linda Lansing. Als sie mich sah, beugte sie sich aus dem Auto, um zu winken, und der weiße Pudel, der auf ihren Knien saß, beugte sich ebenfalls heraus und kläffte mich zornig an, als hätte ich kein Recht, hier zu sein.
    Rusty, der am Strand gewesen war, um mit den Überbleibseln eines alten Korbs zu spielen, hörte den Pudel und eilte zu meiner Rettung herbei. In wilder Jagd kam er um die Ecke des Strandhauses geschossen, zähnefletschend und bellend. Er konnte es gar nicht abwarten, dem Pudel seine Zähne ins Genick zu schlagen. Mein Vater fluchte, Linda kreischte und drückte den Pudel an sich, der Pudel kläffte, und ich mußte Rusty am Halsband packen, ihn ins Haus zerren und ihm befehlen, still zu sein und sich zu benehmen, bevor es auch nur die leiseste Chance zu irgendeiner Art menschlicher Unterhaltung gab.
    Als ich wieder hinauskam, war mein Vater ausgestiegen. „Hallo, Liebes.“
    Er ging um das Auto herum, um mich zu umarmen und mir einen Kuß zu geben. Es war ein bißchen so, als würde man von einem Gorilla in die Arme genommen, sein Bart kratzte an meinem Hals. „Alles in Ordnung?“
    „Ja, alles prima.“ Ich wand mich aus seiner Umarmung. „Hi, Linda.“
    „Hallo, Schätzchen.“
    „Tut mir leid, wegen des Hundes.“ Ich ging, um ihr die Tür zu öffnen. Sie war aufgebrezelt bis an die Zähne, mit vollem Make-up, falschen Wimpern, einem hellblauen Overall und goldenen Ballerinas. Der Pudel trug ein pinkfarbenes Halsband, besetzt mit Straßsteinen.
    „Ist schon okay. Mitzi ist ungeheuer nervös, sie ist eine hochsensible Züchtung, weißt du.“ Sie streckte ihr Gesicht vor, die Lippen geschürzt, um meinen Begrüßungskuß entgegenzunehmen. Der Pudel fing sofort wieder an zu kläffen.
    „Himmel noch mal“, sagte mein Vater. „Bring diesen verdammten Hund zum Schweigen!“, worauf Linda das sensible Tier ohne Umstände aus dem Auto warf und hinter ihm ausstieg.
    Linda Lansing war Schauspielerin. Vor etwa zwanzig Jahren war sie als Starlet in Hollywood aufgetaucht. Das bedeutete eine gewaltige Promotion-Kampagne, gefolgt von einer Reihe unbedeutender Filme, in denen sie meistens eine Art Zigeunerin oder ein Mädchen vom Lande spielte, in einer schulterfreien, am Ausschnitt gerafften Bluse, mit dunkelroten Lippen und schmollendem Gesichtsausdruck. Dieser Typ von Film war jedoch inzwischen aus der Mode gekommen, ebenso wie ihr Stil zu spielen, und damit auch Linda. Klugerweise, denn dumm war sie nie, verheiratete sie sich rasch. „Mein Mann ist mir wichtiger als meine Karriere“, hieß es in den Schlagzeilen unter ihren Hochzeitsfotos, und für einige Zeit verschwand sie völlig aus der Hollywood-Szene. Aber in letzter Zeit, nach der Scheidung von ihrem dritten Ehemann und bevor sie sich den vierten geangelt hatte, war sie wieder in kleinen Rollen und im Fernsehen aufgetreten. Einer neuen Generation von Zuschauern war ihr Gesicht unbekannt, und bei kluger Regie ließ sie ein völlig unerwartetes komödiantisches Talent erkennen.
    Wir hatten sie bei einer jener langweiligen sonntäglichen Brunch-Parties am Pool kennengelernt, die ein unverzichtbarer Bestandteil der Szene in Los Angeles sind. Mein Vater hatte gefunden, sie sei die einzige anwesende Frau, mit der man sich unterhalten konnte. Ich mochte sie ebenfalls. Sie hatte einen vulgären Sinn für Humor, eine tiefe, volltönende Stimme und eine überraschende Fähigkeit, über sich selbst zu lachen.
    Mein Vater hatte eine ziemliche Wirkung auf Frauen, behandelte aber seine Affären immer mit bewundernswerter Diskretion. Ich wußte, daß er ein Verhältnis mit Linda angefangen hatte, allerdings hatte ich kaum erwartet, daß er sie mit nach Reef Point bringen würde.
    Ich beschloß, es gelassen zu nehmen. „Na, das ist aber eine Überraschung. Was machst du in dieser Gegend?“
    „Ach, du weißt doch, wie es ist, Schätzchen, wenn dein Vater anfängt, jemandem die Pistole auf die Brust zu setzen. Und riech bloß diese Seeluft.“ Sie sog einen tiefen Atemzug in die Lungen, hustete leicht und wandte sich wieder zum Auto, um ihre Handtasche daraus zu befreien. Erst jetzt bemerkte ich das aufwendige

Weitere Kostenlose Bücher