Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ende eines Sommers

Ende eines Sommers

Titel: Ende eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Pilcher
Vom Netzwerk:
zum Teufel, sollte ich wollen, daß du Blumen arrangierst?“
    „Und außerdem – ich kann mir nicht vorstellen, daß du nicht überall im Land scharenweise bereitwillige weibliche Wesen an der Hand hast, die aus lauter Liebe zu dir dahin
    schmachten und von dem Tag träumen, an dem du sie fragen wirst, ob sie Mrs. Sinclair Bailey werden wollen.“
    „Kann sein“, sagte Sinclair aufreizend selbstbewußt.
    „Aber ich will sie nicht.“
    Ich dachte über die Idee nach und fand sie, gegen meinen Willen, verlockend.
    „Wo würden wir wohnen?“
    „In London natürlich.“
    „Ich möchte nicht in London wohnen.“
    „Du bist verrückt. London ist der einzige Ort, wo man leben kann. Dort ist immer was los.“
    „Mir gefällt es auf dem Land.“
    „Wir fahren am Wochenende aufs Land – das tue ich ohnehin –, um es mit Freunden zu verbringen …“
    „Und was zu tun?“
    „Die Zeit zu vertreiben. Segeln vielleicht. Zu Rennen gehen.“
    Ich spitzte die Ohren. „Rennen?“
    „Warst du noch nie bei einem Rennen? Das ist die aufregendste Sache der Welt.“ Er setzte sich hin, lehnte sich zurück auf die Ellenbogen, so daß seine Augen mit meinen auf gleicher Höhe waren. „Kann ich dich überreden?“
    „Da gibt es noch eine klitzekleine Überlegung, die du nicht erwähnt hast.“
    „Und was ist das?“
    „Liebe.“
    „Liebe?“ Er lächelte. „Aber Janey, natürlich lieben wir einander. Das haben wir doch immer getan.“
    „Aber das ist etwas anderes.“ „Inwiefern ist das etwas anderes?“
    „Ich kann es dir nicht erklären, wenn du es nicht schon weißt.“
    „Versuch’s.“
    Ich saß da und schwieg verstört. Mir war klar, daß er in gewisser Weise recht hatte. Ich hatte ihn immer geliebt. Als Kind war er der wichtigste Mensch in meinem Leben gewesen. Aber ich war mir nicht völlig sicher, was den Mann betraf, zu dem er geworden war. Aus Angst, er könne mir all das vom Gesicht ablesen, sah ich nach unten und begann, an dem harten Gras zu zupfen. Ich zog ganze Büschel an den Wurzeln aus, ließ sie los, und der Wind wehte sie fort.
    Schließlich sagte ich: „Weil wir uns beide verändert haben. Du bist ein anderer Mensch geworden. Und ich bin praktisch Amerikanerin …“
    „Ach, Janey …“
    „Nein, es ist wahr. Ich bin dort aufgewachsen, wurde dort erzogen – die Tatsache, daß ich einen britischen Paß habe, ändert daran nichts. Auch nicht an der Art, wie ich denke.“
    „Du redest im Kreis herum. Das weißt du, oder?“
    „Vielleicht tue ich das. Aber vergiß nicht, daß dieses ganze Gespräch sowieso hypothetisch ist. Wir diskutieren doch bloß über eine Annahme …“
    Er holte tief Luft, als wolle er die Auseinandersetzung fortführen, schien dann aber seine Meinung zu ändern und lachte. „Wir könnten hier den ganzen Tag sitzen, was? Und die Sonne ermüden mit Reden.“
    „Sollten wir nicht gehen?“
    „Ja, wir haben noch einmal mindestens zehn Meilen vor uns. Aber wir sind schon weit gekommen, und zu deiner Information, diese Bemerkung ist durchaus zweideutig gemeint.“ Er legte seine Hand um meinen Nacken, zog mein Gesicht zu sich heran und küßte meinen offenen, lächelnden Mund.
    Ich hatte das halb erwartet, dennoch war ich nicht vorbereitet auf meine eigene panische Reaktion. Ich mußte mich regelrecht zwingen, in seinen Armen stillzuhalten und abzuwarten, bis er mich freigab. Als er sich schließlich zurückzog, blieb ich einen Augenblick, wo ich war, und begann dann langsam, das Butterbrotpapier und die roten Plastikbecher in den Rucksack zu packen. Ganz plötzlich war unsere Einsamkeit beängstigend geworden. Ich sah uns beide winzig wie Ameisen, die einzigen lebenden Kreaturen in dieser ungeheuren und verlassenen Landschaft, und fragte mich, ob Sinclair mich heute hierhergebracht hatte mit der Absicht, diesen außerordentlichen Vorschlag zu erörtern, oder ob die Idee zu heiraten, bloß eine Laune war, die vom Wind herbeigeweht war.
    „Sinclair, wir müssen gehen. Wir müssen wirklich gehen.“
    Sein Blick war nachdenklich, doch er lächelte nur, stand auf, nahm mir den Rucksack ab und ging voran, den Weg hinauf zu dem in der Ferne liegenden Paß.
    Wir kamen an, als es dunkel wurde. Die letzten paar Meilen hatte ich blind einfach einen Fuß vor den anderen gesetzt. Ich hatte nicht gewagt anzuhalten, denn wenn ich stehengeblieben wäre, hätte ich nicht weitergehen können. Als wir endlich um die letzte Kurve bogen und durch die Bäume die Brücke und das Tor

Weitere Kostenlose Bücher