Ende eines Sommers
wurden.
„Sie haben mir einmal gesagt“, bemerkte er freundlich, „daß Sie erröten, wenn Sie lügen. Irgend etwas stimmt nicht.“
„Nein, nein, es ist alles in Ordnung. Und wenn schon, es ist nichts …“
„Wenn Sie es mir erzählen wollten, würden Sie es tun, nicht wahr? Vielleicht könnte ich helfen.“
Ich dachte an das Mädchen in London und an Gibson, und all meine Ängste fluteten wieder an die Oberfläche. „Niemand kann helfen“, sagte ich zu ihm. „Niemand kann auch nur das geringste tun.“
Er beließ es dabei. Wir traten wieder in den Sonnenschein, und ich stellte fest, daß ich fror, ich hatte eine Gänsehaut. Ich setzte mich auf die warme Decke und trank Kaffee, David gab mir eine Zigarette, um die Mücken zu vertreiben. Nach einer Weile legte ich mich hin, mit dem Kopf auf einem Kissen, den Körper der Sonne dargeboten. Ich war müde, der Wein hatte mich schläfrig gemacht. Ich schloß die Augen, die Geräusche des Flusses wurden lauter, und kurz darauf war ich eingeschlafen.
Etwa eine Stunde später wurde ich wach. David lag etwa einen Yard von mir entfernt, hatte sich auf einen Ellenbogen gestützt und las eine Zeitung. Als ich mich streckte und gähnte, sah er auf.
„Das ist nun schon zum zweitenmal passiert“, murmelte ich. „Ich wache auf, und Sie sind neben mir.“
„Ich wollte Sie ohnehin gleich wecken. Wecken und nach Hause bringen.“
„Wie spät ist es?“
„Halb vier.“
Ich betrachtete ihn schläfrig. „Kommen Sie zum Tee mit nach Elvie? Großmutter würde Sie sicher gern sehen.“
„Ich würde gern mitkommen, aber ich muß einen alten Knaben besuchen, der am Ende der Welt wohnt. Er macht sich ab und zu Sorgen wegen seines Testaments, und ich muß ihn beruhigen.“
„Das ist wie schottisches Wetter, oder?“
„Was meinen Sie damit?“
„Eine Woche sind Sie in New York und machen weiß der Teufel was. In der nächsten ziehen Sie los zu irgendeinem abgelegenen Glen, um die Gemütsruhe eines alten Mannes wiederherzustellen. Sind Sie gern Anwalt auf dem Land?“
„Ja, wenn ich ehrlich bin, es gefällt mir.“
„Es paßt so gut zu Ihnen. Ich meine … Als wären Sie Ihr ganzes Leben lang hier gewesen. Und Ihr Haus und alles … und der Garten. Es paßt alles zusammen, als ob es jemand auf Sie zugeschnitten hätte.“
„Sie passen auch hierher“, sagte David.
Ich wünschte mir, er würde das weiter ausführen, und einen Augenblick lang dachte ich, er würde es tun, aber er schien seine Meinung zu ändern, stand statt dessen auf, sammelte das Kaffeegeschirr und seine Zeitung ein und brachte alles ins Haus. Als er zurückkehrte, lag ich immer noch dort und blickte auf den Fluß. Er stand hinter mir, schob die Hände unter meine Schultern und zog mich auf die Beine. Ich drehte mich um und fand mich in seinen Armen wieder. „Auch das hatten wir schon einmal“, sagte ich.
„Nur daß damals Ihr Gesicht geschwollen war vom Weinen, und heute …“
„Was ist heute?“
Er lachte. „Heute haben Sie etwa sechs Dutzend neue Sommersprossen bekommen. Und eine Menge alter Apfelblätter im Haar.“
Er fuhr mich heim. Das Verdeck seines Autos war offen, und mein Haar flog mir ins Gesicht. David fand einen alten Seidenschal im Handschuhfach, den er mir gab, damit ich ihn mir um den Kopf binden konnte.
Als wir zu der Baustelle kamen, stand die Ampel auf Rot, so warteten wir mit leerlaufendem Motor und beobachteten den Verkehr, der uns auf der einen Spur entgegenkam.
„Ich kann mir nicht helfen“, sagte David, „ich finde, es wäre besser gewesen, die Brücke abzureißen und eine neue zu bauen, anstatt dieses Stück Straße zu begradigen … oder wenigstens etwas gegen diese höllische Kurve auf der anderen Seite zu tun.“
„Aber die Brücke ist so hübsch!“
„Sie ist gefährlich, Jane.“
„Aber jeder weiß das und fährt nur mit ein oder zwei Stundenkilometern darüber.“
„Nicht jeder weiß Bescheid“, berichtigte er mich trocken.
„Im Sommer ist jeder zweite Fahrer ein Tourist.“
Nachdem das Auto über die bucklige Brücke gerollt war, gab David Gas. Der Wind pfiff mir um die Ohren, und so fuhren wir zurück nach Elvie.
Später zeigte ich meiner Großmutter meine einzige Neuerwerbung, den marineblauen Pullover, den ich beim Waffenschmied gekauft hatte.
„Ich finde“, sagte sie, „du hast es sehr klug angefangen, daß du in Caple Bridge überhaupt etwas gefunden hast. Und er sieht wirklich sehr warm aus“, fügte sie freundlich
Weitere Kostenlose Bücher