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Ende eines Sommers

Ende eines Sommers

Titel: Ende eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Pilcher
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Sinclair.“
    Sie hatten links und rechts am Kamin gesessen, einen niedrigen Teetisch zwischen sich. Aber nun stand Sinclair auf und kam mir durch den Raum entgegen, um mich zu begrüßen.
    „Janey … wo bist du gewesen?“ Er gab mir einen Kuß.
    „Ich habe einen Spaziergang gemacht.“
    „Es ist fast dunkel, wir dachten schon, du hättest dich verirrt.“
    Ich sah zu ihm auf. Aus irgendeinem Grund hatte ich gedacht, es würde ihm anzumerken sein, daß er anders geworden war. Ruhiger, müde vielleicht von der langen Fahrt. Nachdenklicher unter der Last seiner neuen Verantwortung. Aber ganz offensichtlich hatte ich mich geirrt. Wenn überhaupt ein Unterschied zu bemerken war, sah er noch heiterer, jünger und leichtherziger aus als je zuvor. Es war ein Glitzern um ihn an jenem Abend, ein aufgeregtes Strahlen, wie bei einem Kind zu Weihnachten.
    Er nahm meine Hände. „Und du bist kalt wie ein Eiszapfen. Komm hierher, zum Feuer, und wärm dich auf. Ich habe dir freundlicherweise eine Scheibe Toast übriggelassen, aber ich bin sicher, daß Mrs. Lumley dir noch mehr macht, wenn du möchtest.“
    „Nein, das ist gut so.“ Ich hob einen niedrigen Lederhocker hoch und setzte mich zwischen sie, meine Großmutter schenkte mir Tee ein. „Wo bist du gewesen?“ fragte sie, und ich berichtete von meinem Spaziergang. „Haben die Hunde
    etwas zu trinken gekriegt? Waren sie naß und schmutzig? Hast du sie abgetrocknet?“ Ich schüttelte den Kopf. „Nicht nötig. Wir sind nirgendwo gewesen, wo es naß war, und ich habe das Heidekraut aus ihrem Fell gezupft, bevor wir heimkamen.“ Sie reichte mir die Tasse, ich legte meine kalten Hände darum und sah Sinclair an.
    „Wie war es in London?“
    „Warm und stickig.“ Er grinste, seine Augen glitzerten vor Übermut. „Voller erschöpfter Geschäftsleute in Winteran-zügen.“
    „Hast du … Erfolg gehabt mit dem, was du vorhattest?“
    „Das klingt sehr pompös. Wo hast du gelernt, dich so gewählt auszudrücken?“
    „Nun?“
    „Ja, natürlich, sonst wäre ich doch nicht hier.“
    „Wann – wann bist du in London losgefahren?“
    „Heute früh, etwa um sechs Uhr. Großmutter, ist noch etwas Tee in der Kanne?“
    Sie hob die Teekanne hoch und nahm den Deckel ab, um hineinzusehen. „Nicht mehr viel. Ich gehe in die Küche und brühe noch ein bißchen auf.“
    „Ruf doch Mrs. Lumley.“
    „Nein, ihr tun die Füße weh. Ich mach das schon. Ich möchte ohnehin mit ihr über das Abendessen sprechen, wir müssen noch einen Fasan in den Topf tun.“
    Als sie gegangen war, nahm Sinclair meine Hände. Seine Berührung war kühl und leicht. „Ich möchte mit dir sprechen.“
    Das war es. „Worüber?“
    „Nicht hier. Ich möchte dich ganz für mich allein. Ich dachte, wir können nach dem Tee mit dem Auto hinausfahren. Auf den Bengairn hoch und zusehen, wie der Mond aufgeht. Kommst du mit?“
    Wenn er unter vier Augen mit mir über Tessa sprechen wollte, so war der Lotus Elan ebensogut geeignet wie jeder andere Ort. Ich nickte. „In Ordnung.“
     
    Mit dem Lotus zu fahren war ungewohnt, um es milde auszudrücken. Angegurtet auf dem niedrigen Sitz hatte ich das Gefühl, als wäre ich auf dem Weg zum Mond, und die Geschwindigkeit, mit der Sinclair losfuhr, trug nicht gerade dazu bei, diesen Eindruck zu zerstreuen. Wir brausten die kleine Straße hinauf und bogen mit quietschenden Reifen in die Hauptstraße ein. Die Nadel des Tachometers kletterte in Sekundenschnelle auf siebzig Meilen, Felder, Hecken und vertraute Wegzeichen flogen vorbei und blieben in schwindelerregendem Tempo hinter uns zurück.
    „Fährst du immer so schnell?“
    „Liebes, das ist nicht schnell.“
    Ich beließ es dabei. Im Handumdrehen, so schien mir, waren wir an der buckligen Brücke, verlangsamten leicht, sausten dann hinüber und schossen, als mein Magen noch irgendwo zwei Fuß über meinem Kopf schwebte, auf die Baustelle zu. Die Ampel stand auf Grün, und Sinclair beschleunigte, so daß wir durch die Absperrung und ein gutes Stück darüber hinaus gefahren waren, bevor sie wieder auf Rot sprang.
    Wir fuhren nach Caple Bridge hinein, wo eine Geschwindigkeitsbegrenzung von dreißig Meilen vorgeschrieben war. Aus Rücksicht auf den örtlichen Polizeiwachtmeister und sehr zu meiner Erleichterung schaltete er in einen niedrigeren Gang und ließ den Lotus mit der vorgeschriebenen Geschwindigkeit langsam durch die Stadt trödeln. Doch kaum hatten wir das letzte Haus hinter uns gelassen, bretterte

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