Ender 4: Enders Kinder
daß, wenn er seine Ansichten ändern würde, sie ihre ebenfalls ändern würden – aber er werde seine Ansichten nicht ändern, weil er die Bombardierung Japans für ein Geschenk der Götter hält?«
»Wir hoffen immerhin darauf, daß er seine Meinung ändert«, sagte Peter, »oder unsere Reise wäre ein Fehlschlag. Der springende Punkt ist, daß keine Aussicht besteht, daß er sich einer direkten Überredung durch uns zugänglich zeigen wird, und Jane vermag anhand seiner Schriften nicht zu sagen, was oder wer ihn beeinflussen könnte. Wir müssen mit ihm reden, um herauszufinden, zu wem wir als nächstes gehen müssen – damit wir vielleicht deren Ansichten ändern können.«
»Das ist wirklich kompliziert, nicht wahr?« sagte Wang-mu.
»Deswegen dachte ich ja, es lohne sich nicht, es dir zu erklären. Was genau wirst du mit diesen Informationen anfangen? Mit einem analytischen Philosophen ersten Ranges wie Hikari in eine Diskussion der historischen Feinheiten einsteigen?«
»Ich werde zuhören«, sagte Wang-mu.
»Das hättest du doch sowieso getan«, sagte Peter.
»Aber jetzt werde ich wissen, wer derjenige ist, dem ich zuhöre.«
»Jane meint, es sei ein Fehler gewesen, daß ich es dir erzählt habe, denn jetzt würdest du alles, was er sagt, im Lichte dessen interpretieren, was Jane und ich bereits zu wissen glauben.«
»Sagen Sie Jane, daß die einzigen, die jemals die Keuschheit der Unwissenheit preisen, diejenigen sind, die von einem Wissensmonopol profitieren.«
Peter lachte. »Schon wieder Epigramme«, sagte er. »Eigentlich solltest du sagen –«
»Erzählen Sie mir nicht wieder, wie ich gnomisch sein soll«, sagte Wang-mu. Sie erhob sich vom Fußboden. Jetzt befand sich ihr Kopf über dem Peters. »Sie sind der Gnom. Und was das Mantischsein betrifft – denken Sie daran, daß die Mantis ihren Gatten auffrißt.«
»Ich bin nicht dein Gatte«, sagte Peter, »und ›mantisch‹ bedeutet eine Philosophie, die sich von einer Vision oder Inspiration oder Intuition herleitet statt von Gelehrtheit und Wissen.«
»Wenn Sie nicht mein Gatte sind«, sagte Wang-mu, »dann hören Sie auf, mich wie Ihre Ehefrau zu behandeln.«
Peter schaute verdutzt, sah dann weg. »Habe ich das getan?«
»Auf Weg geht ein Ehemann davon aus, daß seine Frau eine Närrin ist, und bringt ihr sogar Dinge bei, die sie schon längst weiß. Auf Weg muß eine Ehefrau so tun, wenn sie ihren Ehemann etwas lehrt, als erinnere sie ihn bloß an Dinge, die er ihr vor langer Zeit beigebracht hat.«
»Tja, ich bin wohl einfach ein gefühlloser Regel, nicht wahr.«
»Bitte denken Sie stets daran«, sagte Wang-mu, »daß, wenn wir mit Aimaina Hikari zusammentreffen, er und ich über einen gemeinsamen Wissensfundus verfügen, an dem Sie niemals teilhaben können.«
»Und was ist das?«
»Ein Leben.« Sie sah den Schmerz auf seinem Gesicht, und sofort tat es ihr leid, ihn hervorgerufen zu haben. Aber es war ein reflexartiges Bedauern – sie war von Kindheit an dazu erzogen worden, daß es ihr leid tat, wenn sie Anstoß erregte, egal, wie verdient es war.
»Autsch«, sagte Peter, als sei sein Schmerz ein Witz.
Wang-mu hatte kein Erbarmen – sie war keine Dienerin mehr. »Sie sind so stolz darauf, mehr zu wissen als ich, aber alles, was Sie wissen, ist entweder das, was Ender in Ihren Kopf getan hat oder das, was Jane ihnen ins Ohr flüstert. Ich habe keine Jane. Ich hatte keinen Ender. Für alles, was ich weiß, habe ich Lehrgeld bezahlen müssen. Ich habe es durchlebt. Also bitte, behandeln Sie mich nicht wieder mit Verachtung. Wenn ich auf dieser Expedition irgendeinen Nutzen haben sollte, wird er daraus entspringen, daß ich alles weiß, was Sie auch wissen – weil man mir alles beibringen kann, was Sie wissen, aber Sie das, was ich weiß, niemals lernen können.«
Die Zeit der Scherze war vorbei. Peters Gesicht rötete sich vor Zorn. »Wie … für wen …«
»Wie kann ich es wagen«, sagte Wang-mu, indem sie die Sätze nachahmte, von denen sie annahm, daß er dazu angesetzt hatte. »Für wen halte ich mich eigentlich.«
»Das habe ich nicht gesagt«, sagte Peter leise und wandte sich ab.
»Ich bleibe nicht in der Position, die mir gebührt, oder?« fragte sie. »Han Fei-tzu hat mir alles über Peter Wiggin beigebracht. Über das Original, nicht die Kopie. Wie er seine Schwester Valentine dazu brachte, eine Rolle in seiner Verschwörung zu übernehmen, die Herrschaft über die Erde an sich zu reißen. Wie er sie dazu
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