Ender 4: Enders Kinder
eigentümlich. Habe ich einen Fehler gemacht?« Sie buchstabierte die Namen sorgfältig.
»Das ist korrekt«, sagte Aimaina. »Genau wie gestern.«
»Ich erinnere mich auch an sie. Sie wohnen in einer Wohnung nur ein paar Straßenzüge von Eurem Haus entfernt. Aber heute kann ich sie absolut nicht finden. Und hier überprüfe ich das Wohnhaus und stelle fest, daß die Wohnung, die sie bewohnt haben, seit einem Jahr leersteht. Aimaina, ich bin sehr überrascht. Wie können zwei Menschen am einen Tag existieren und am nächsten nicht? Habe ich irgendeinen Fehler gemacht, entweder gestern oder heute?«
»Ihr habt keinen Fehler gemacht, Helferin meines Freundes. Das ist die Information, die ich brauchte. Bitte, ich flehe Euch an, nicht weiter darüber nachzudenken. Was für Euch wie ein Mysterium erscheint, ist tatsächlich eine Antwort auf meine Fragen.«
Sie verabschiedeten sich höflich voneinander.
Aimaina verließ seinen Arbeitsraum im Garten und ging an den sich abmühenden Blättern vorbei, die sich unter dem Druck des Sonnenlichts beugten. So, wie den Blättern das Sonnenlicht aufgenötigt wird, dachte er, haben die Ahnen mir Weisheit aufgenötigt; und letzte nacht ist das Wasser durch mich hindurchgeströmt und hat diese Weisheit durch meinen Geist getragen wie Saft durch einen Baum. Peter Wiggin und Si Wang-mu waren aus Fleisch und Blut und angefüllt mit Lügen, aber sie kamen zu mir und sprachen die Wahrheit, die ich hören mußte. Ist es nicht genau so, wie die Ahnen ihren lebenden Kindern Botschaften überbringen? Irgendwie habe ich Schiffe in Bewegung gesetzt, die mit den schrecklichsten Kriegswaffen ausgerüstet sind. Ich habe das getan, als ich jung war; nun sind die Schiffe ihrem Ziele nah, und ich bin alt und kann sie nicht zurückrufen. Eine Welt wird zerstört werden, und der Kongreß wird Zustimmung heischend auf die Nezessisten blicken, und sie werden sie erteilen, and dann werden die Nezessisten Zustimmung heischend auf mich blicken, und ich werde beschämt mein Gesicht verbergen. Meine Blätter werden fallen, und ich werde nackt vor ihnen stehen. Deswegen hätte ich mein Leben nicht an diesem tropischen Ort verbringen sollen. Ich habe den Winter vergessen. Ich habe die Schande und den Tod vergessen.
Vollkommene Einfachheit – ich dachte, ich hätte sie erreicht. Aber statt dessen bin ich ein Unheilsbringer gewesen.
Eine Stunde lang saß er im Garten, malte einzelne Schriftzeichen in den feinen Kies des Weges, strich ihn dann glatt und schrieb erneut. Schließlich kehrte er in den Gartenschuppen zurück und gab die Botschaft, die er aufgesetzt hatte, in den Computer ein:
Ender der Xenozide war ein Kind und wußte nicht, daß der Krieg real war; dennoch entschied er sich in seinem Spiel dafür, einen bewohnten Planeten zu zerstören. Ich bin ein Erwachsener und habe die ganze Zeit über gewußt, daß das Spiel real war; aber ich habe nicht gewußt, daß ich ein Spieler war. Ist meine Schuld größer oder geringer als die des Xenoziden, wenn eine weitere Welt zerstört und eine weitere Ramänner-Spezies ausgelöscht wird? Was ist nun mein Pfad zur Einfachheit?
Sein Freund würde nur wenige der Umstände kennen, die diese zweifelnde Frage umgaben; aber er würde nicht mehr brauchen. Er würde über die Frage nachdenken. Er würde eine Antwort finden.
Einen Augenblick später empfing ein Verkürzer auf dem Planeten Pazifika seine Botschaft. Auf dem Weg dorthin war sie bereits von jener Wesenheit gelesen worden, die rittlings auf allen Strängen des Verkürzernetzes hockte. Für Jane indes war es nicht die Botschaft, die wichtig war, sondern die Adresse. Jetzt würden Peter und Wang-mu wissen, wohin sie der nächste Schritt ihrer Suche führen mußte.
Kapitel 5
›Niemand ist rational‹
Mein Vater erklärte mir oft:
Wir haben Diener und Maschinen,
auf daß unser Wille ausgeführt werde über die Reichweite unserer eigenen Arme hinaus.
Maschinen sind stärker als Diener und gehorsamer und weniger aufsässig,
aber Maschinen haben kein Urteilsvermögen und protestieren nicht,
wenn unser Wollen töricht ist,
und verweigern uns nicht den Gehorsam,
wenn unser Wollen böse ist.
In Zeiten und an Orten, da die Menschen die Götter verachten,
haben jene, die der Diener am meisten bedürfen, Maschinen oder suchen sich Diener, die sich wie Maschinen verhalten.
Ich glaube, dies wird auch so bleiben,
bis die Götter aufhören zu lachen.
aus Der Gott flüstert von Han
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