Ender 4: Enders Kinder
immer sie damit machen – verbrannt, sagt Jane.«
»Aber Hikari wird nicht versuchen, mit ihr zu sprechen.«
»Es würde eine Woche dauern, um auch nur eine einfache Botschaft genügend auseinanderzuziehen, daß man sie bei der Geschwindigkeit, mit der das Schiff derzeit fliegt, empfangen könnte. Unmöglich, unter diesen Umständen eine philosophische Diskussion zu führen. Sie wäre zu Hause, bevor er damit fertig wäre, seine Frage zu erklären.«
Zum ersten Mal begann Wang-mu die Implikationen des verzögerungsfreien Sternenfluges, den sie und Peter benutzt hatten, zu begreifen. Diese langen, das Leben vieler Menschen verzerrenden Reisen konnten abgeschafft werden.
»Wenn nur …«, sagte sie.
»Ich weiß«, sagte Peter. »Aber das können wir nicht.«
Sie wußte, daß er recht hatte. »Also fliegen wir selber hin«, sagte sie, zum eigentlichen Gegenstand ihres Gesprächs zurückkehrend. »Und dann … was?«
»Jane beobachtet, um zu sehen, an wen Hikari schreibt. Das ist die Person, die imstande sein wird, ihn zu beeinflussen. Und deshalb …«
»Ist es der, mit dem wir sprechen werden.«
»Richtig. Mußt du noch pinkeln gehen oder sonst was, bevor wir uns um eine Rückfahrgelegenheit zu unserer kleinen Hütte in den Wäldern kümmern?«
»Das wäre nett«, sagte Wang-mu. »Und Sie könnten sich vielleicht andere Sachen anziehen.«
»Was, du findest, sogar diese konservativen Klamotten könnten zu gewagt sein?«
»Was trägt man eigentlich auf Lumana’i?«
»Äh, nun ja, eine ganze Reihe von ihnen laufen einfach nackt herum. In den Tropen. Jane sagt, in Anbetracht der Körperfülle vieler erwachsener Polynesier könne das ein anregender Anblick sein.«
Wang-mu schauderte es. »Wir werden aber doch nicht versuchen, so zu tun, als seien wir Einheimische, oder?«
»Dort nicht«, sagte Peter. »Jane wird uns auf die Passagierliste eines Sternenschiffes schmuggeln, das dort gestern von Moskva eingetroffen ist. Wahrscheinlich werden wir so eine Art von Regierungsbeamten sein.«
»Ist das nicht illegal?« fragte sie.
Peter sah sie merkwürdig an. »Wang-mu, wir begehen bereits Hochverrat gegenüber dem Kongreß, einfach bloß, weil wir Lusitania verlassen haben. Das ist ein Kapitalverbrechen. Ich glaube nicht, daß es einen großen Unterschied ausmacht, ob wir uns als Regierungsbeamte ausgeben.«
»Aber ich habe Lusitania nicht verlassen«, sagte Wang-mu. »Ich habe Lusitania noch nie gesehen.«
»Ach, da hast du nicht viel verpaßt. Es ist bloß ein Haufen Savannen und Wälder, mit einer Fabrik der Schwarmkönigin hier und da, in der Sternenschiffe gebaut werden, und einem Haufen schweineähnlicher Außerirdischer, die in den Bäumen leben.«
»Trotzdem bin ich Mittäterin bei einem Verrat, richtig?« fragte Wang-mu.
»Und du bist auch des Verbrechens schuldig, einem japanischen Philosophen den ganzen Tag verdorben zu haben.«
»Ab mit meinem Kopf.«
Eine Stunde später befanden sie sich in einem privaten Schweber – so privat, daß ihr Pilot keine Fragen stellte; und Jane sorgte dafür, daß alle ihre Papiere in Ordnung waren. Vor Anbruch der Nacht waren sie wieder bei ihrem kleinen Sternenschiff.
»Wir hätten in der Wohnung schlafen sollen«, sagte Peter, während er traurig die primitiven Schlafgelegenheiten beäugte.
Wang-mu lachte ihn nur aus und rollte sich auf dem Boden zusammen. Am Morgen, als sie ausgeruht waren, stellten sie fest, daß Jane sie schon im Schlaf nach Pazifika gebracht hatte.
In dem Licht, das weder Nacht noch Morgen war, erwachte Aimaina Hikari aus seinem Traum und erhob sich aus seinem Bett, in eine Luft hinein, die weder warm noch kalt war. Sein Schlaf hatte ihn nicht erfrischt, und er hatte häßliche, hektische Träume gehabt, in denen sich alles, was er tat, als das Gegenteil dessen, was er beabsichtigt hatte, gegen ihn kehrte. In seinem Traum war Aimaina aufwärts geklettert, um den Grund einer Schlucht zu erreichen. Er hatte gesprochen, und die Menschen hatten sich von ihm abgewandt. Er hatte geschrieben, und die Seiten des Buches waren ihm unter der Hand weggespritzt und hatten sich überall auf dem Boden verteilt.
All dies, erkannte er, war eine Reaktion auf den Besuch jener verlogenen Fremden gestern. Den ganzen Nachmittag über hatte er versucht, sie aus seinen Gedanken zu verbannen, indem er Kurzgeschichten und Essays las; den ganzen Abend über, sie zu vergessen, indem er sich mit sieben Freunden unterhielt, die ihn besuchen kamen. Aber die
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