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Enders Schatten

Enders Schatten

Titel: Enders Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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vollkommen verstanden, aber ich war zu feige, um zu handeln. Hatte zu große Angst, dass etwas schiefgehen könnte.
    Und vielleicht ist das Gleiche auch geschehen, als Achilles am Boden lag und ich Poke sagte, sie solle ihn töten. Ich hatte unrecht, und sie hatte recht. Jeder Schläger, den sie umgeworfen hätte, hätte es ihr wahrscheinlich übel genommen – und die meisten hätten sicher sofort gehandelt und sie getötet, sobald sie sie hätte aufstehen lassen. Achilles war vielleicht der Einzige, der bereit war, der Vereinbarung zuzustimmen. Es gab keine andere Wahl. Aber ich hatte Angst. Bring ihn um, habe ich gesagt, weil ich am liebsten alles ungeschehen machen wollte.
    Und ich stehe immer noch hier. Das Wasser ist abgeschaltet. Ich bin triefnass und friere. Aber ich kann mich nicht bewegen.
    Nikolai stand in der Tür zum Waschraum. »Das ist ja wirklich schlimm mit deinem Durchfall.«
    Â»Was?«
    Â»Ich habe Ender gesagt, dass du die ganze Nacht Durchfall hattest. Deshalb musstest du ins Bad. Dir war schlecht, aber du wolltest es nicht sagen, um nicht deinen ersten Kampf zu verpassen.«
    Â»Ich hab solche Angst, dass ich nicht mal aufs Klo könnte, wenn ich wollte«, bekannte Bean.
    Â»Er hat mir dein Handtuch gegeben. Er sagte, es sei dumm von ihm gewesen, es zu nehmen.« Nikolai kam herein und reichte es Bean. »Er sagte, er brauche dich beim Kampf, also ist er froh, wenn du es schaffst.«
    Â»Er braucht mich nicht. Er will mich nicht mal.«
    Â»Komm schon, Bean«, sagte Nikolai. »Du schaffst das schon.«
    Bean trocknete sich ab. Es fühlte sich gut an, sich zu bewegen. Etwas zu tun.
    Â»Ich glaube, du bist jetzt trocken genug«, stellte Nikolai fest.
    Bean erkannte, dass er sich immer noch abtrocknete, wieder und wieder.
    Â»Nikolai, was ist los mit mir?«
    Â»Du hast Angst, es könnte sich herausstellen, dass du nur ein kleines Kind bist. Aber ich geb dir mal einen Hinweis: Du bist ein kleines Kind.«
    Â»Du auch.«
    Â»Also ist es in Ordnung, ein schlechter Soldat zu sein. Sagst du mir das nicht dauernd?« Nikolai lachte. »Komm schon, wenn ich es schaffe, so schlecht wie ich bin, dann schaffst du es auch.«
    Â»Nikolai«, murmelte Bean.
    Â»Was ist denn jetzt schon wieder?«
    Â»Ich hab ein Problem. Jetzt muss ich wirklich aufs Klo.«
    Â»Ich hoffe nur, du erwartest nicht von mir, dass ich dir den Hintern abwische.«
    Â»Wenn ich in drei Minuten nicht zurück bin, holst du mich raus.«
    Frierend und schwitzend – eine Kombination, die er nicht für möglich gehalten hätte – , ging Bean in die Toilettenkabine und schloss die Tür. Die Schmerzen in seinem Bauch waren heftig. Aber es gelang ihm nicht, seine Gedärme zu entspannen.
    Wovor habe ich solche Angst?
    Schließlich triumphierte sein Ausscheidungssystem über sein Nervensystem. Es fühlte sich an, als fiele alles, was er je gegessen hatte, aus ihm heraus.
    Â»Die Zeit ist um«, sagte Nikolai. »Ich komme rein.«
    Â»Nicht, wenn dir dein Leben lieb ist«, rief Bean. »Ich bin fertig, ich komme raus.«
    Entleert, sauber und gedemütigt vor seinem einzigen Freund, verließ Bean die Kabine und wickelte das Handtuch um sich.
    Â»Danke, dass du mich davor bewahrt hast, ein Lügner zu sein«, sagte Nikolai.
    Â»Was?«
    Â»Was deinen Durchfall angeht.«
    Â»Für dich würde ich sogar die Ruhr kriegen.«
    Â»Das ist wahre Freundschaft.«
    Als sie die Sporthalle erreichten, trugen alle schon ihre Blitzanzüge und waren bereit aufzubrechen. Während Nikolai Bean in seinen Anzug half, ließ Wiggin die anderen sich auf die Matten legen und Entspannungsübungen machen. Selbst Bean hatte noch Zeit, sich ein paar Minuten hinzulegen, bevor Wiggin sie wieder aufstehen ließ.
    0656. Vier Minuten, um in den Kampfraum zu kommen. Er hatte es sehr knapp bemessen.
    Als sie den Flur entlangrannten, sprang Wiggin hin und wieder hoch und berührte die Decke. Hinter ihm sprang die ganze Armee hoch und berührte die gleiche Stelle, wenn sie sie erreichten. Selbst die Kleineren. Bean, dessen Herz immer noch vor Demütigung, Ablehnung und Angst brannte, versuchte es nicht einmal. So etwas tat man, wenn man zur Gruppe gehörte. Und er gehörte nicht dazu. Nach all seiner Brillanz im Unterricht war die Wahrheit jetzt ans Licht gekommen: Er war ein Feigling. Er gehörte gar nicht ins Militär.

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