Enders Schatten
provisorischen Büro auf der Kampfraumbrücke gerade mit Dimak und Dap, als Bean hereinkam. Es ging um die üblichen Streitigkeiten zwischen den beiden Lehrern â also um nichts weiter, eine Banalität, eine belanglose Protokollverletzung, die rasch zu einem Sturm offizieller Beschwerden eskaliert war. Nur ein weiteres Scharmützel in der Geschichte ihrer Rivalität, da Dap und Dimak stets versuchten, irgendwelche Vorteile für ihre Schützlinge Ender und Bean herauszuschlagen, und gleichzeitig Graff davon abhalten wollten, die Kinder in die Gefahr zu bringen, die sich ihrer Meinung nach am Horizont abzeichnete. Als es an der Tür klopfte, hatten sie schon geraume Zeit mit erhobener Stimme gesprochen, und weil er leise klopfte, musste Graff sofort daran denken, dass man sie vielleicht belauscht hatte.
Hatten sie Namen erwähnt? Ja, sowohl Beans als auch Enders. Und Bonzos. War Achillesâ Name gefallen? Nein. Sie hatten von ihm nur als von »einer anderen unverantwortlichen Entscheidung, die die Zukunft der Menschheit gefährdet«, gesprochen. »All das nur wegen der verrückten Theorie, dass Spiele eine Sache sind und echter Kampf um Leben und Tod eine ganz andere â einer Theorie, die vollkommen unbewiesen und unbeweisbar ist, es sei denn durch das Blut eines Kindes!« Das war Dap gewesen, der einen Hang zur Redseligkeit hatte.
Graff fühlte sich schon richtig elend, denn er stimmte mit den zwei Lehrern überein, nicht nur mit ihren Argumenten gegeneinander, sondern auch mit ihren Argumenten gegen seine Politik. Bean hatte sich bei allen Tests eindeutig als der bessere Kandidat erwiesen; Ender war ebenso eindeutig der bessere Kandidat, wenn man von seinen Leistungen in echten Führungssituationen ausging. Und es war tatsächlich unverantwortlich von Graff, beide Jungen einer körperlichen Gefahr auszusetzen.
Aber sie hatten jeder auch ernste Zweifel an deren Mut. Ender hatte eine lange Geschichte der Unterwerfung unter seinen älteren Bruder Peter hinter sich, und das Psychospiel hatte gezeigt, dass Ender Peter unbewusst mit den Schaben in Verbindung brachte. Graff wusste, dass Ender den Mut hatte, völlig rückhaltlos zuzuschlagen, wenn die Zeit gekommen war, dass er sich auch ohne Hilfe einem Feind stellen konnte und den vernichten würde, der ihn vernichten wollte. Aber Ender wusste das nicht, und das musste anders werden.
Bean seinerseits hatte vor seinem ersten Kampf körperliche Symptome von Panik gezeigt, und obwohl er sich anschlieÃend tapfer geschlagen hatte, brauchte Graff keine psychologischen Tests, um zu wissen, dass Zweifel angebracht waren. Erschwert wurde der Fall dadurch, dass Graff die Zweifel des Jungen teilte. Es gab tatsächlich keinen Beweis dafür, dass Bean kompromisslos zuschlagen würde.
Selbstzweifel waren leider genau das, was sich keiner der Kandidaten leisten konnte. Im Kampf gegen einen Feind, der nicht zögerte â der nicht zögern konnte â , gab es keine Zeit zum Nachdenken.
Die Jungen mussten sich ihren schlimmsten Ãngsten stellen, in dem Wissen, dass niemand sich einmischen und helfen würde. Sie mussten wissen, dass sie nicht versagten, wenn Versagen sich als tödlich erweisen konnte. Sie mussten diese Prüfung bestehen und wissen, dass sie sie bestanden hatten. Und beide Jungen waren so scharfsinnig, dass man die Gefahr nicht einfach vorgaukeln konnte. Sie musste echt sein.
Sie diesem Risiko auszusetzen war vollkommen unverantwortlich von Graff. Aber er wusste auch, es wäre ebenso unverantwortlich, es nicht zu tun. Ginge er auf Nummer sicher, würde ihm niemand die Schuld daran geben, wenn Ender oder Bean im realen Krieg versagten. Aber das war ein geringer Trost, wenn man die Konsequenzen eines Versagens bedachte. Ganz gleich, wovon Graff ausging, für jeden Irrtum würden am Ende alle auf der Erde zahlen. Er konnte überhaupt nur wagen, sie auf diese Weise zu prüfen, weil er im Fall, dass einer von beiden getötet oder geistig oder körperlich geschädigt werden sollte, immer noch einen Ersatzkandidaten hatte.
Und wenn beide versagten, was dann? Es gab viele gescheite Kinder, aber keines, das so viel besser war als die Kommandanten, über die sie bereits verfügten und die schon vor vielen Jahren die Kampfschule absolviert hatten.
Jemand muss die Würfel ins Rollen bringen, dachte Graff. Und jetzt liegen die Würfel in meinen Händen. Ich bin
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