Enders Schatten
glaubte nicht, dass Achilles es richtig machte, aber er hatte ihn gewarnt, und damit war er frei von jeder Verantwortung. Dass Achilles sich in ein Versteck zurückzog, bedeutete jedenfalls Ãrger. Man würde es als ein Zeichen von Schwäche betrachten.
Achilles schlich sich in der Nacht davon, an einen Ort, den er ihnen nicht verriet, damit keiner ihn aus Versehen ausplappern konnte. Bean spielte mit dem Gedanken, ihm zu folgen, um zu sehen, was er wirklich tat, aber er erkannte, dass er bei der Hauptgruppe nützlicher sein würde. Immerhin würde Poke jetzt das Kommando übernehmen, und Poke war nur eine gewöhnliche Anführerin. Mit anderen Worten: Sie war strohdumm. Sie brauchte Bean, auch wenn sie es nicht wusste.
In dieser Nacht versuchte Bean, Wache zu halten â weshalb, war ihm unklar. Am Ende schlief er allerdings doch ein und träumte von der Schule, jedoch nicht von der Schule am Bürgersteig oder in der Gasse mit Schwester Carlotta, es war eine richtige Schule mit Tischen und Stühlen. Aber im Traum konnte Bean nicht an einem Tisch sitzen. Stattdessen schwebte er in der Luft darüber, und wenn er wollte, konnte er im Raum überallhin fliegen. Hoch an die Decke. In einen Riss in der Wand. An einen geheimen, dunklen Ort, immer weiter nach oben, wo es wärmer und wärmer wurde â¦
Er erwachte, und es war noch dunkel. Ein kühler Wind wehte. Er musste pinkeln. Und er wollte fliegen. Dass der Traum zu Ende war, lieà ihn beinahe weinen, weil es so wehtat. Er konnte sich nicht erinnern, je zuvor vom Fliegen geträumt zu haben. Warum musste er so klein sein und so kurze Beine haben, die ihn kaum von einem Ort zum anderen trugen? Wenn er flog, konnte er auf alle hinabschauen und ihre dummen Köpfe von oben sehen. Er würde keine Angst vor ihnen haben müssen, denn wenn sie böse wurden, konnte er einfach davonfliegen, und sie würden ihn nie erwischen.
Aber wenn ich fliegen könnte, könnten es natürlich auch alle anderen, und ich wäre immer noch der Kleinste und Langsamste, dann wären sie wieder hinter mir her.
Er konnte nicht mehr einschlafen. Das spürte er genau. Er hatte zu groÃe Angst, und er wusste nicht warum. Er stand auf und ging in die Gasse, um zu pinkeln.
Poke war bereits dort. Sie blickte auf und sah ihn.
»Lass mich eine Minute allein«, meinte sie.
»Nein«, entgegnete er.
»Geh mir nicht auf die Nerven, kleiner Junge.«
»Ich weiÃ, dass du dich zum Pinkeln hinhockst«, sagte er. »Und ich schaue sowieso nicht hin.«
Wütend starrte sie ihn an und wartete, bis er ihr den Rücken zudrehte und gegen die Wand urinierte. »Ich nehme an, wenn du mich verraten wolltest, hättest du es schon getan«, meinte sie.
»Sie wissen alle, dass du ein Mädchen bist, Poke. Wenn du nicht da bist, redet Papa Achilles immer von âºihrâ¹, wenn er dich meint.«
»Er ist nicht mein Papa.«
»Das dachte ich mir schon«, sagte Bean. Er wartete, immer noch der Wand zugewandt.
»Du kannst dich wieder umdrehen.« Sie stand wieder und knöpfte sich die Hose zu.
»Ich habe Angst, Poke«, meinte Bean.
»Wovor?«
»Ich weià es nicht.«
»Du weiÃt nicht, wovor du Angst hast?«
»Deshalb macht es mir ja solche Angst.«
Sie lachte leise. »Bean, das bedeutet nur, dass du vier Jahre alt bist. Kleine Kinder sehen Gestalten in der Nacht. Oder sie sehen keine Gestalten. So oder so, sie haben oft Angst.«
»Ich nicht«, sagte Bean. »Wenn ich Angst habe, stimmt irgendwas nicht.«
»Odysseus will Achilles wehtun, das ist der Grund.«
»Das würde dich nicht traurig machen, oder?«
Sie starrte ihn wütend an. »Wir essen besser als je zuvor. Alle sind glücklich. Es war dein Plan. Und ich wollte sowieso nie der Boss sein.«
»Aber du hasst ihn«, sagte Bean.
Sie zögerte. »Es ist, als würde er immer über mich lachen.«
»Woher weiÃt du, wovor kleine Kinder Angst haben?«
»Weil ich selbst mal eins war«, sagte Poke. »Und ich erinnere mich noch genau.«
»Odysseus wird Achilles nicht wehtun«, meinte Bean.
»Das weià ich«, versicherte Poke.
»Weil du Achilles finden und ihn schützen wirst.«
»Ich habe vor, hierzubleiben und auf die Kinder aufzupassen.«
»Oder vielleicht willst du auch Odysseus finden und ihn umbringen.«
»Warum? Wie? Er ist gröÃer
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