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Enders Schatten

Enders Schatten

Titel: Enders Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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man vollkommen verirrt anfängt, ist es schwer, sich noch mehr zu verirren. Während er durch die Straßen und Gassen ging, trabte und rannte, fiel ihm ein, dass er nur einen Kanal oder Bach zu finden brauchte, und der würde ihn dann zum Fluss oder an einen anderen Ort bringen, den er kannte. Also schaute er auf der ersten Brücke, die über Wasser führte, nach, in welche Richtung das Wasser floss, und wählte Straßen, die in dieser Richtung verliefen. Er wusste zwar noch immer nicht, wo er war, aber zumindest folgte er einem Plan.
    Es funktionierte. Er erreichte den Fluss und ging an ihm entlang, bis er in der Ferne und halb um eine Biegung den Maasboulevard sah, der zu der Stelle führte, an der Poke umgebracht worden war.
    Diese Biegung im Fluss, die kannte er von der Landkarte her. Er wusste, wo alle Markierungen, die Schwester Carlotta angebracht hatte, gewesen waren. Er wusste, er musste an den Stellen vorbeigehen, an denen er auf der Straße gelebt hatte, um näher zu der Gegend zu gelangen, in der der Hausmeister vielleicht gewohnt hatte. Und das war nicht einfach, denn dort würde man ihn vielleicht wiedererkennen, und womöglich hatte Schwester Carlotta sogar die Polizei benachrichtigt, und die würde auch dort nachschauen, weil es dort die meisten Straßenkinder gab und sie erwarteten, dass er wieder ein Straßenkind wurde.
    Sie vergaßen aber, dass Bean keinen Hunger mehr hatte, und ohne Hunger hatte er es nicht eilig.
    Er machte einen Umweg. Weit weg vom Fluss, weit weg von dem belebten Teil der Stadt, in dem die Straßenkinder waren. Wann immer die Straßen anfingen, bevölkerter auszusehen, zog er seinen Kreis weiter und hielt sich von den geschäftigen Plätzen fern. Er brauchte den Rest des ersten Tages und einen Teil des nächsten, um einen so weiten Kreis zu beschreiben, dass er eine Weile nicht einmal mehr in Rotterdam war und etwas vom Land zu sehen bekam – Bauernhöfe und Straßen, die höher lagen als das Land ringsumher, wie auf den Bildern. Schwester Carlotta hatte ihm erzählt, dass einmal der größte Teil des Bauernlandes tiefer gelegen hatte als das Meer und dass große Deiche das Meer davon abgehalten hatten zurückzufließen und das Land wieder zu bedecken. Aber Bean wusste, dass er nicht einmal in die Nähe dieser großen Deiche kommen würde. Jedenfalls nicht zu Fuß.
    Dann kehrte er in die Stadt zurück, in den Schiebroek-Distrikt, und später am Nachmittag des zweiten Tages erkannte er den Namen der Rindijkstraat und fand bald eine Querstraße, deren Namen er ebenfalls wiedererkannte – Erasmussingel – , und danach war es leicht, zu der frühesten Stelle zu kommen, an die er sich erinnerte, der Hintertür eines Restaurants, in dem man ihn gefüttert hatte, als er noch ein Baby gewesen war und nicht richtig reden konnte, und die Erwachsenen zu ihm geeilt waren, um ihm zu helfen, statt ihn aus dem Weg zu kicken.
    Dort stand er in der Abenddämmerung. Nichts hatte sich verändert. Er konnte sich die Frau genau vorstellen, mit einer kleinen Essensschale, die sie ihm hinhielt, wobei sie mit einem Löffel fuchtelte und etwas in einer Sprache sagte, die er nicht verstand. Nun konnte er das Schild über dem Restaurant lesen und erkannte, dass es Armenisch war und die Frau wahrscheinlich diese Sprache gesprochen hatte.
    Welchen Weg hatte er genommen, um hierher zu gelangen? Er hatte das Essen gerochen, als er … dort entlanggekommen war? Er ging ein kleines Stück weiter, ein kleines Stück die Straße entlang, und drehte sich um, um sich neu zu orientieren.
    Â»Was machst du hier, Fettsack?«
    Es waren zwei Kinder, vielleicht acht Jahre alt. Kriegerisch, aber keine Schläger. Vielleicht gehörten sie zu einer Bande. Nein, zu einer Familie, nun, nachdem Achilles alles verändert hatte. Falls die Veränderungen sich bis in diesen Teil der Stadt ausgedehnt hatten.
    Â»Ich soll meinen Papa hier treffen«, sagte Bean.
    Â»Und wer ist dein Papa?«
    Bean war sich nicht sicher, ob sie glaubten, dass er mit dem Wort »Papa« seinen Vater meinte oder den Papa seiner »Familie«. Er riskierte es und sagte: »Achilles.«
    Sie schnaubten bei dem Gedanken. »Der ist unten am Fluss, aber warum sollte er sich hier oben mit einem Fettsack wie dir treffen?«
    Ihr Hohn war belanglos. Es zählte nur, dass Achilles’ Ruf sich so weit durch die Stadt

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