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Enders

Enders

Titel: Enders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lissa Price
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hier.«
    »Callie.« Er legte eine Hand auf den Türgriff.
    »Er kennt mich, während er dich noch nie gesehen hat. Ich beeile mich.«
    Ich stieg aus und kletterte unter einem Loch im Zaun durch. Ein Meer von Zelten breitete sich auf dem Parkplatz aus. Starters ohne Angehörige, manche auch in Begleitung total abgerissener Enders, denen längst das Geld ausgegangen war.
    Ein langes Leben ist nicht immer die Leiter ins Paradies.
    Manche Starters starrten mich an. Ich sah nicht mehr aus, als gehörte ich zu ihnen. Ich trug keine zerlumpten Klamotten, Gesicht und Hände waren sauber, und ich hatte weder Wasserflasche noch Handleuchte bei mir. Außerdem war ich mittlerweile nicht mehr so ausgemergelt wie früher.
    Ich bemühte mich, keine Angst zu zeigen und nicht mehr Aufmerksamkeit als nötig auf mich zu ziehen, während meine Blicke über die Menge hinweg wanderten.
    Michael, wo bist du? Warum stehst du nicht ganz vorne?
    Ich ging einmal um den Parkplatz herum und kehrte zum Ausgangspunkt zurück. Jemand zupfte mich am Ärmel und bettelte um Geld. Ich öffnete meine Tasche. Plötzlich war ich von einer Menschentraube umringt. Keine gute Entscheidung. Meine Hände wurden feucht.
    Das Atmen fiel mir schwer. Menschen versuchten meine Arme zu packen, zerrten mich hin und her.
    »Nicht«, flehte ich. »Lasst das!«
    Ich warf einige Geldscheine in die Luft. Der Wind wehte sie fort, und die Meute jagte hinterher. Ich ergriff die Flucht.
    Während ich zum Auto zurückhastete, hörte ich plötzlich eine vertraute Stimme in meinem Kopf.
    Cal, mein Mädchen. Kannst du mich hören?
    Ich verschluckte mich vor Überraschung.
    Ich bin es, Dad.
    Ich keuchte. Ruhig bleiben, das könnte der Old Man sein. »Ja, ich höre dich.« Ich blieb stehen und konzentrierte mich.
    Ich bin am Leben. Mach dir keine Sorgen.
    Es klang nach seiner Stimme. Es klang wirklich nach ihm.
    Callie?
    »Woher weiß ich, dass du mein Dad bist?« Mein Herz hämmerte. »Woran kann ich das erkennen?«
    Weißt du noch, was du zu deinem zehnten Geburtstag bekommen hast? Ein rotes Fahrrad?
    Das Fahrrad mit der großen Schleife. Er hatte es im Waschkeller versteckt. Kein Zweifel, er war es.
    »Wo bist du? Ich möchte dich sehen.«
    Ich weiß. Mir geht es genauso. Was macht Tyler?
    Tränen stiegen mir in die Augen. »Es geht ihm gut. Aber du fehlst ihm sehr. Er hat jeden Abend euer Holo angeschaut, aber dann mussten wir es zurücklassen …« Ich redete viel zu viel, dabei hatte ich unzählige Fragen an ihn.
    Es wird alles gut, Cal. Mein Mädchen.
    »Dad? Wie kannst du mich erreichen?«
    Plötzlich wurde es ganz still. Ich spürte die Leere, die Lautlosigkeit, das Vakuum. Die schreckliche Trennung, die so abrupt erfolgte. Er war fort. Ich fühlte mich wie ausgehöhlt, schlimmer als damals auf der Straße, wenn der Hunger mich nicht losließ.
    Ich kehrte in die Gegenwart zurück. Ein Blick über die Schulter zeigte mir, dass mehrere Leute im Halbkreis hinter mir standen. Sie versuchten mich einzuordnen, das reiche Mädchen, das mitten auf der Straße Selbstgespräche führte. War ich verrückt und gefährlich? Oder jemand, den sie angreifen konnten?
    Nun, da ich den Blickkontakt hergestellt hatte, rückten sie näher.
    Ich musste zum Wagen rennen. Hyden sah mich und stieß die Tür auf. Ich hechtete auf den Beifahrersitz, und er fuhr mit quietschenden Reifen los, noch bevor ich die Tür schließen konnte.
    »Wo ist Michael?«, fragte ich.
    »Keine Ahnung. Ich konnte ihn nicht finden.«
    Die Tür schnappte ins Schloss. Zwei Starters und ein Ender, alle drei in Lumpen gehüllt, verfolgten uns. Ihre Gesichter waren von Hass verzerrt.
    Es dauerte nicht lange, sie abzuschütteln. Ich wollte Hyden die Sache mit meinem Vater erzählen, hielt es aber nicht für den rechten Augenblick.
    »Schalt dein Handy ein und ruf ihn an«, sagte Hyden. »Jetzt sind wir schon hierhergekommen. Los, das Risiko müssen wir eingehen.«
    Ich gab Michaels Nummer ein. Das Handy klingelte lange.
    »Er nimmt nicht ab.«
    Vom Airscreen kam ein Piepton. Wir hatten ein Signal auf dem Chip-Scanner.
    »Könnte er das sein?«, fragte ich nach einem Blick auf den Bildschirm.
    »Es kommt aus Richtung der Berge«, meinte er.
    Wir fuhren ein kurzes Stück und verfolgten das Signal. Flintridge lag am Fuß der Berge, doch das Gelände stieg rasch an. Die Besiedlung wurde spärlicher. Man hatte im Krieg viele Häuser aus Angst vor der Sporenverseuchung niedergebrannt.
    Ich betete, dass das Signal von Michael kam.

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