Enders
Ender-Sachbearbeiterin empfing. Ein alter Airscreen stand wie eine Schranke zwischen ihr und uns. Die Bilder, die er produzierte, wirkten blass, zerknittert und fleckig wie die Ender selbst.
»Ray Woodland, haben Sie gesagt?« Ihre Stimme klang knarzig.
»Ja, er ist mein Vater.«
»Aber ein Middle, nicht wahr?«
Ich nickte.
»Dann, meine Liebe, habe ich schlechte Nachrichten«, erklärte sie. Wie um ihre Worte zu unterstreichen, zog sie die Augenbrauen hoch. »Er lebt nicht mehr. Die sind alle tot.«
»Nicht alle«, widersprach ich. »Ich kenne selbst einen, der überlebt hat. Und was ist mit den Holo-Stars und Politikern?«
»Die fallen in eine … besondere Kategorie«, sagte sie in einem Ton, als müsste sie ein dummes Kind belehren. »Aber alle anderen …« Sie schüttelte den Kopf.
»Könnten Sie wenigstens nachsehen?«, warf Hyden ein. »Bitte.«
Sie presste die Lippen zusammen und begann am Airscreen zu arbeiten. Er reagierte so langsam, dass sie ein paar Mal von vorn anfangen musste.
Schließlich hatte sie das Ergebnis. Sie drückte auf ein Icon, das den Text in Spiegelschrift zeigte, sodass ich ihn lesen konnte.
Ray Woodland, 55, verstorben.
Darunter stand seine Adresse und sein Beruf. Erfinder.
»Ich … und ein Irrtum ist ausgeschlossen?«, fragte ich. »In der Zeit starben so viele Middles. Da gab es doch sicher die eine oder andere Verwechslung.«
Hyden blickte mich an. Seine – Jeremys – Miene drückte tiefes Mitgefühl aus.
Die Sachbearbeiterin hielt den Kopf schräg. »Ihr Starters müsst irgendwann einen Schlussstrich ziehen. Deshalb zeige ich euch jetzt etwas, das ich euch eigentlich nicht zeigen dürfte. Aber …«
Sie machte eine Handbewegung, als wollte sie ihren Mund mit einem Reißverschluss versiegeln.
»Okay?«
»Klar«, sagte ich.
Ich wechselte einen Blick mit Hyden. Wir waren beide verwirrt.
»Dann wartet mal kurz an der Tür dort drüben.«
Sie deutete auf einen nur wenige Schritte entfernten Eingang. Wir kamen ihrer Anweisung nach. Gleich darauf öffnete sie die Tür von innen und ließ uns eintreten.
Sie legte einen Finger an die Lippen. Wir nickten und folgten ihr schweigend. Sie führte uns in einen Saal mit einer ganzen Reihe von Schreibtischen, an denen Enders vor ihren Bildschirmen saßen. Nur das flackernde Licht der Airscreens erhellte den Raum. Es war ein unheimlicher Anblick.
»Hier werden all die Daten der Verstorbenen eingetragen«, erklärte die Ender. »Die meisten kommen aus Therapie-Einrichtungen.«
Sie beugte sich über die Schulter einer Mitarbeiterin und flüsterte ihr etwas ins Ohr.
Die Frau tippte Namen, Geburtsdatum und Adresse meines Vaters in den Monitor. Gleich darauf erschien ein Bild. Ein Mann. Auf einem Feldbett. Weiß und starr.
»Ray Woodland«, las die Ender vom Bildschirm ab.
Mein Vater. Tot.
Ich presste beide Hände gegen den Mund. Hyden legte mir einen Arm um die Schultern. Die Sachbearbeiterin sah mich an und nickte.
»Es ist besser, einen Schlussstrich zu ziehen, meine Liebe«, sagte sie. »Nun sind die letzten Zweifel ausgeräumt, nicht wahr?«
Ihre Worte fraßen sich wie Säure in mein Inneres. Ich wischte die Tränen ab, die mir über die Wangen liefen.
»Gehen wir«, sagte Hyden leise.
Hyden hatte immer noch den Arm um mich gelegt, als wir zur Treppe gingen.
Auf der obersten Stufe blieb er stehen und sah mich an. »Alles in Ordnung?«
»Es ist meine eigene Schuld … ich wollte die Wahrheit herausfinden.« Das Sprechen fiel mir schwer. »Ich hatte nur nicht … mit dieser Antwort gerechnet.«
»Ich weiß.« Er zog mich sanft an sich.
Ich legte den Kopf an seine Schulter und ließ den Tränen freien Lauf. Er drückte mich ganz fest an sich, als könnte er dadurch meinen Schmerz ersticken.
Aber das schaffte er nicht.
Und er schaffte es auch nicht, das unheimliche Gefühl zu ersticken, als ich plötzlich die Stimme in meinem Kopf hörte.
Hallo, Callie. Tut mir leid, wenn ich störe.
Ich löste mich von Hyden.
»Wer sind Sie?«, fragte ich.
Ein Freund.
Wie viele Leute waren da in meinem Kopf?
Es war eine männliche Stimme, die eher nach einem Middle als nach einem Ender klang. Ich konnte mir denken, zu wem sie gehörte. Hyden warf mir einen fragenden Blick zu.
Ich legte einen Finger auf meine Lippen. Hyden steckte in Jeremys Körper. Der Eindringling konnte durch meine Augen sehen, was ich sah, aber er würde einen Fremden erblicken. Jeremy.
Und ich sehe durch deine Augen, dass du dich in Begleitung
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