Enders

Titel: Enders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lissa Price

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Gleichzeitig machte ich etwas weiter vorn ein niedriges Gebäude aus, das größtenteils im Schatten lag. Beim Näherkommen konnte ich erkennen, dass es sich um einen Komplex mehrerer Betonquadern unterschiedlicher Größe handelte, die mitten aus der Wüstenlandschaft ragten.
    »Das ist es?«, fragte ich.
    Hyden nickte.
    »Könnte es nicht sein, dass Brockman die ganze Zeit über die Stimme deines Vaters imitiert hat?«, gab Michael zu bedenken.
    »Denk an das Video«, widersprach ich. »Ich habe ihn mit eigenen Augen gesehen.«
    »Du hast selbst eine gefälschte Botschaft des Old Man produziert, um alle Kunden von Prime zusammenzuholen. Das Bild deines Vaters beweist also gar nichts.«
    Darauf wusste ich keine Antwort. Und Hyden fuhr einfach weiter, als sei Michaels Einwand nicht mehr als ein Nebengeräusch.
    »Wir könnten in eine Falle laufen«, fuhr Michael fort.
    »Was schlägst du vor?«, fragte ich. »Dass wir umkehren? Dass wir uns wie Maulwürfe in irgendeiner Tiefgarage vergraben, während mein Vater in einem dieser Gebäude gefangen gehalten wird? Ich habe ihn das ganze letzte Jahr für tot gehalten. Ich muss ihn mit eigenen Augen sehen, um sicher zu sein, dass er noch lebt. Es ist ein Wagnis, aber für mich gibt es kein Zurück.«
    »Wenn du nicht mitkommen willst, kannst du im Wagen bleiben«, schlug Hyden vor. »Und uns zu einer raschen Flucht verhelfen, wenn es brenzlig für uns wird.«
    Michael blies die Backen auf und atmete geräuschvoll aus. Wir waren mittlerweile nur noch eine Viertelmeile von dem Gebäudekomplex entfernt. Hyden bremste und ließ den SUV ausrollen. Ich sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.
    »Wir sollten nicht bis vor die Haustür fahren«, meinte Hyden. »Zu laut.«
    »Aber unsere Chips werden auf ihrem Schirm erscheinen«, sagte ich.
    »Die haben so viele Chip-Köpfe da drinnen, dass wir hoffentlich nicht auffallen.« Er drehte sich zu Michael um. »Was ist nun mit dir? Bleibst du hier oder kommst du mit?«
    »Ich komme mit. Ich schätze, bei diesem Wahnsinn werdet ihr jede Unterstützung brauchen, die ihr kriegen könnt.«
    Hyden holte die Waffen aus den Wandnischen des SUV und reichte mir eine davon.
    »Sie ist geladen«, warnte er. »Michael, kannst du schießen?«
    »Nein, kann er nicht«, antwortete ich an Michaels Stelle.
    »Doch«, widersprach er. »Ich war mit meinem Dad öfter mal am Schießstand.«
    »Das hast du mir nie erzählt.«
    »Warum auch? Wir hatten schließlich keine Waffe, oder?«
    Hyden reichte ihm eine Pistole. »Jetzt hast du eine. Sie ist geladen. Und gesichert.«
    Als Nächstes gab er uns Schulterhalfter. »Schnallt die unter euren Jacken fest.«
    Während ich meine Jacke auszog und das Halter anlegte, verteilte er Kampfmesser und Plexi-Fesseln.
    »Eine Menge Zeug«, murrte Michael.
    »Je mehr, desto besser«, erklärte Hyden. »Mein Vater ist der skrupelloseste Mensch auf der Welt. Und wenn er ihren Vater in der Gewalt hat …«
    »Wir müssen die Marshals verständigen«, meinte Michael.
    »Und wie oft kommen die, wenn man sie um Hilfe bittet?«, fragte Hyden. »Außerdem – was willst du ihnen sagen? Wir können mit diesen Waffen eine Schießerei vermeiden . Die Marshals dagegen würden ohne Rücksicht auf Verluste losballern, wenn sie kämen. Was sie nicht tun werden.«
    »Großartig«, murmelte Michael. »Die Sache klingt vielversprechend.«
    Michael war nicht der geborene Kämpfer, sondern Künstler. Selbst wenn ihn sein Dad irgendwann in grauer Vorzeit zu ein paar Schießübungen mitgenommen hatte.
    Hyden aktivierte den Airscreen, und seine Finger tanzten über die Bedienelemente.
    »Was machst du da?«, erkundigte sich Michael.
    »Er schaltet die Alarmanlage ab«, sagte ich. »Stimmt’s?«
    Er grinste. »Stimmt.« Als er sich wieder dem Bildschirm zuwandte, bemerkte ich eine steile Falte zwischen seinen Augenbrauen.
    »Probleme?«
    »Das hatte ich befürchtet. Ich kann nicht in ihr Computersystem eindringen. Eine gewaltige Firewall schottet es ab. Um sie zu überwinden, müsste ich im Innern der Gebäude sein.«
    »Und um ins Innere zu gelangen, müssen wir die Alarmanlage außer Gefecht setzen.«
    Hyden schaltete den Airscreen mit einer schnellen Handbewegung aus. »Dann improvisieren wir eben.«
    Wir kletterten ins Freie. Michael entfernte sich nur zögernd aus dem sicheren Bereich des SUV .
    Hyden winkte uns ungeduldig vorwärts. Eine schwache Brise trug den würzigen Geruch von Wacholder zu uns herüber. Der Mond schien und tauchte