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Enders

Enders

Titel: Enders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lissa Price
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die Kakteen ringsum in bläuliches Licht.
    Ein kleines Tier wuselte dicht vor mir über den Weg.

kapitel 22 »Was war das?«, fragte Michael offensichtlich panikerfüllt.
    »Ein Skorpion«, erwiderte Hyden.
    Mir kam zu Bewusstsein, dass ich Michael immer nur in der Stadt und nie in der freien Natur erlebt hatte. Manche Leute verändern sich, wenn man sie aus ihrer gewohnten Umgebung reißt.
    Wir gingen schweigend über den harten Sand, weil wir da weniger auffielen als auf der Straße. Ich dachte an all die Dinge, die ich mir von diesem Unternehmen versprach. Dass mein Vater noch am Leben war. Dass ich dem Old Man endlich gegenübertreten würde. Dass ich Brockman zwingen konnte, meinen Neurochip zu entfernen. Dass ich meine Jugend zurückbekam und kein Dasein mehr führen musste, das wir mit dem furchtbaren Namen Metallo bezeichneten.
    Ich blieb ein wenig zurück und beobachtete Michael und Hyden, die sich dem Gebäudekomplex näherten. Ich konnte nicht umhin, die beiden zu vergleichen. Michael war seit unserer Zeit auf der Straße mein bester Freund. Ich hatte in ihm immer den starken Beschützer gesehen. Aber hier draußen in der Wildnis erwies sich plötzlich Hyden als der Furchtlosere – wenn nicht gerade seine Berührungsangst ins Spiel kam.
    Hyden war ein Genie. Aber er wirkte gequält und traumatisiert. Und er blieb mir in vielen Dingen ein Rätsel. Ich wusste nicht einmal, ob ich ihm wirklich voll und ganz vertrauen konnte. Allem Anschein nach hatte sein Vater meinen Vater entführt. Dennoch hatte er mit keiner Silbe erwähnt, dass mein Vater auf dem Gebiet der Neurochips forschte. Und da war noch etwas, das ich nicht recht zu fassen bekam.
    Es gab viele Gründe, ihn abzulehnen. Aber irgendwie mochte ich ihn.
    Ich mochte ihn.
    Aufmerksam suchte ich den Boden vor meinen Füßen ab, um nicht auf irgendein giftiges Tier zu treten. Wahrscheinlich entging mir deshalb der geschlossene Jeep, der durch den Wüstensand gefahren kam, bis er nur noch hundert Meter von uns entfernt war.
    »Was ist das?«, fragte Michael.
    Die Scheinwerfer waren ausgeschaltet – kein gutes Zeichen, wie wir von unserer letzten Begegnung mit einem abgedunkelten Fahrzeug wussten. Und wir hatten uns bereits zu weit von unserem SUV entfernt, um in seinen Schutz zurückzulaufen.
    Wir waren gefangen, hier draußen in der Wüstennacht.
    »Verteilt euch«, rief Hyden. »Und geht in Deckung hinter Sträuchern oder einem Felsen.«
    Michael und ich hasteten los, auf der Suche nach einem möglichst großen Sichtschutz.
    »Zieht die Waffen!«, zischte Hyden.
    Er deutete auf eine Gruppe dichter Büsche. Ich warf mich flach in den Sand und richtete die Pistole auf den Jeep. Die Jungs duckten sich ein Stück rechts und links von mir, sodass wir ein großes Dreieck bildeten.
    Der Jeep kam näher, hielt jedoch an, bevor er uns erreicht hatte. Der Fahrer stellte den Motor ab und öffnete die Tür. Sämtliche Geschöpfe der Wildnis schienen den Atem anzuhalten. In der nächtlichen Wüste ringsum herrschte Totenstille.
    Ich warf einen Blick in Hydens Richtung. Er war dem Jeep am nächsten. Der Lauf seiner Waffe war auf die Stiefel gerichtet, die unter der Türleiste zum Vorschein kamen.
    Das Herz klopfte mir bis zum Hals.
    Der Fahrer war groß und hatte lange weiße Haare. Er trug eine dicke, schwarz umrandete Brille, Jeans und ein langärmeliges Hemd.
    Es war Trax.
    »Sachte, Leute«, sagte er in die Nacht hinein, und ich verstand zuerst gar nicht, mit wem er sprach.
    »Ich komme in friedlicher Absicht.« Trax hob beide Arme über den Kopf.
    Er schaute erst Hyden und dann mich an.
    »Trax«, sagte ich.
    »Höchstpersönlich. Callie?«
    Hyden erhob sich. Seine Waffe war immer noch auf den Neuankömmling gerichtet. »Was willst du, Trax?«
    »Hyden?«, entgegnete der Computerexperte von Prime. »So nennst du dich jetzt, oder?«
    Michael duckte sich in den Schatten seines Strauchs. Er befand sich ein paar Schritte hinter Trax. Ich vermutete, dass Trax ihn nicht gesehen hatte.
    »Ich muss etwas wissen, Trax«, sagte ich. »Hast du Helena getötet?«
    Er wandte sich mir zu. Ich hatte die Pistole gesenkt, hielt sie aber immer noch in Händen.
    »Was? Weshalb hätte ich das tun sollen?«
    »Weil du für meinen Vater gearbeitet hast«, sagte Hyden.
    »Ich habe für den Old Man gearbeitet«, sagte Trax. »Und um der alten Zeiten willen bin ich euch entgegengefahren. Aus freien Stücken. Um euch zu warnen. Brockman weiß nichts von unserem kleinen Treffen

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