Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Enders

Enders

Titel: Enders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lissa Price
Vom Netzwerk:
während ich mich auf die Suche nach meinem Vater begab. Michael würde die Nachhut bilden und nach Wachtposten Ausschau halten.
    Hyden bog um eine Ecke und verschwand. Ich wartete eine Minute und nickte dann Michael zu, der mich mit einem Klaps auf die Schulter verabschiedete. Es war erstaunlich, wie ermutigend so eine leichte Berührung sein konnte. Ich bahnte mir meinen Weg zwischen den Schatten und Lichttümpeln des sterilen Korridors. Meine Hand umklammerte das Pistolenhalfter unter dem Kimono, aber ich hoffte von ganzem Herzen, dass ich die Waffe nicht gebrauchen müsste.
    Als ich die Tür am Ende des Korridors öffnete, stand ich einen Moment lang wie betäubt da. Vor mir erstreckte sich eine riesige Halle, in der es von Gräsern, Blumen und kleinen Bäumen mit tief hängenden Ästen geradezu wucherte. Ich betrat das üppige Pflanzenmeer. Die warme Luft roch feucht und erdig. Man hatte sich wohl einen Regenwald zum Vorbild genommen – als totalen Kontrast zu der Wüstenlandschaft, die das Gelände umgab.
    Ich entdeckte Hyden in einem der Nebenräume vor einem Airscreen. Er sah auf und winkte mich näher.
    »Ich bin im System – also nimm du das hier«, sagte er und reichte mir den Generalschlüssel von Trax.
    Ich schaffte es nicht, ein Wort des Dankes für ihn zu erübrigen. Wortlos nahm ich das Gerät entgegen, schob es in die Hosentasche und kehrte zum Mittelkorridor zurück.
    Ich folgte ihm bis zum Ende der Halle und stand erneut vor einer Tür. Vorsichtig schob ich sie auf und spähte nach draußen.
    Vor mir erstreckte sich ein leerer Gang, der zu einem Brunnen führte. Das Plätschern von Wasser lockte mich näher. Ich kam an einer Reihe offener Türen vorbei und sah, dass die Räume dahinter folkloristisch dekoriert waren – etwa im Stil Indiens, Russlands, Japans oder der Türkei. Ich dachte an unseren Geographieunterricht vor dem Krieg zurück. Würde ich je die Chance erhalten, meinen Abschluss zu machen? An einer richtigen Schule, meine ich, nicht per Zype-Netz.
    Ich lockerte den Gürtel meines Kimonos, um notfalls schnell nach meiner Waffe greifen zu können.
    Der Brunnen übertönte alle anderen Geräusche. Ich näherte mich einem verschlossenen Raum ganz am Ende des Korridors, legte mein Ohr an die Tür und horchte. Da ich nichts hörte, hielt ich den Generalschlüssel von Trax an die Metallplatte rechts von der Tür. Klick. Vorsichtig öffnete ich die Tür.
    Meine Augen gewöhnten sich rasch an das Halbdunkel. Hier war nichts von der Wellness-Atmosphäre zu spüren, die mich bisher umgeben hatte. Es gab weder Pflanzen noch Bilder. Der Saal erinnerte an eine Klinik oder ein Lazarett. Er enthielt dichte Reihen von Metallplattformen, die als Betten dienten. Funktionelle Nachtlichter entlang der Wände waren auf die Schläfer gerichtet. Perfekte Körper. Makellose Gesichter. Und alle mit Handfesseln an die Betten fixiert.
    Der Anblick war niederschmetternd. Also hatte Hyden die Wahrheit gesagt. Brockman nahm keine Rücksicht – auf nichts und niemanden.
    Was ich nicht verstand, war, dass jeder Metallo einen Schlauch in der Nase hatte, der zu einem kleinen, um die Brust geschnallten Plastikbeutel führte. Warum?
    Ich sah mich um und erkannte einige der Schlafenden. Briona. Raj. Lee. Ich hatte einen Teil meiner Zeit mit diesen Leuten verbracht. Nein, nicht mit diesen Leuten. Mit diesen Körpern. Mit diesen Spenderkörpern, von denen Doris, Tinnenbaum und Rodney Besitz ergriffen hatten, die grässlichen Enders im Dienst von Prime Destinations. Sie hatten mir nachspioniert. Zumindest war ich bis vor Kurzem davon überzeugt gewesen. Nun wusste ich es besser. Doris und Rodney hatten mich im Auftrag Hydens bewacht. Um zu verhindern, dass ich den Senator erschoss. Und später vielleicht, um mich zu beschützen.
    Tinnenbaum bewachte mich im Auftrag von Brockman.
    Ich trat auf ein knarrendes Bodenbrett und weckte den Metallo, der am nächsten zum Eingang lag.
    Es war Lee, der äußerst gut aussehende Asiate. »Wer bist du?«, fragte er verwirrt.
    Briona auf der Plattform neben ihm erwachte ebenfalls und drehte den Kopf in meine Richtung und musterte mich prüfend.
    »Sieh doch mal – eine Neue!«
    Sie war schön wie immer mit ihrem schimmernden Bronzeteint, aber ihr Blick wirkte jetzt gequält und verzweifelt.
    »Verschwinde von hier, bevor sie dich registrieren und hier festhalten wie uns«, sagte sie.
    Jetzt erst fiel mir auf, dass die Fixierungen mit kleinen Metallplättchen versehen waren. Ich zog den

Weitere Kostenlose Bücher