Endless: Roman (German Edition)
eigentlich hier los, Meena? Abraham wollte es mir nicht sagen. Er meinte, wenn du bereit wärst, würdest du es mir schon erzählen.« Er erwähnte nicht, wie wütend ihn diese Information gemacht hatte. Was sollte das heißen, wenn Meena bereit wäre?
Und warum hatte Meena Holtzman alles erzählt statt ihm? Er war schließlich derjenige, der in der Sankt-Georgs-Kathedrale ihr Leben gerettet hatte, nicht Holtzman. Hatte es etwas damit zu tun, dass er an ihre Theorie über Antonescu nicht glaubte?
Wer konnte so etwas denn schon glauben? Es war einfach verrückt. Dämonen waren von Grund auf böse. Sie hatten keinen freien Willen. Ihm war egal, was der heilige Thomas von Aquin vor achthundert Jahren geschrieben hatte.
»Danke für den Kaffee, aber können wir jetzt hineingehen?« Meena sah auf einmal müde aus. »Ich habe eine Ewigkeit gebraucht, um am Bahnhof ein Taxi zu bekommen,
und nun bin ich viel zu spät dran. Die anderen fragen sich bestimmt bereits, wo ich bleibe.«
»Abraham ist schon drinnen«, sagte Alaric. »Er hat allen erzählt, er sei dein Anwalt.«
Meena verdrehte die Augen und warf ihren Kaffeebecher in einen Abfalleimer. »Na toll. Mein Anwalt. Jetzt denkt jeder, ich hätte irgendetwas Schlimmes getan.«
Alaric packte sie am Handgelenk, als sie an ihm vorbei zum Gebäude ging. Ihre Knochen waren so zart wie die eines Vogels.
»Und, hast du denn etwas Schlimmes getan?«, fragte er und schaute sie eindringlich an. Er wollte ihr diese Frage eigentlich nicht stellen, und wahrscheinlich hätte er es auch besser gelassen.
Aber er konnte nicht anders.
Sie strich sich mit der freien Hand eine kupferfarbene Haarsträhne aus den Augen. Augen, in denen plötzlich Tränen standen. »Das hängt vermutlich vom Blickwinkel ab. Aus deiner Perspektive nein. Aus meiner, ja. Ja, ich habe etwas Schlimmes getan.«
Eine Welle von Zärtlichkeit überkam ihn. Er versuchte, sie zu ignorieren, schließlich hatte sie jede Vorschrift verletzt.
Doch das hatte er auch von Zeit zu Zeit schon einmal getan.
Aber das hier war etwas anderes. Sie hatte sich in Gefahr gebracht. Und dann hatte sie ihn nicht angerufen. Das verletzte seine Gefühle … obwohl er sich eher die Zunge abbeißen würde, als es zu gestehen.
Irgendetwas hatte sie schrecklich aufgewühlt. Und sie
hatte Holtzman angerufen. Dabei sollte sie sich an ihn wenden, wenn sie durcheinander und aufgewühlt war. Nicht an Holtzman.
Wie hatte er nur zulassen können, dass alles so aus dem Ruder lief? Und wie konnte er es wieder in Ordnung bringen?
Sie warf einen betonten Blick auf ihr Handgelenk. Sofort ließ er sie los. Sie drehte sich um und wandte sich zum Gehen.
Er hätte es dabei belassen sollen. Aber das konnte er nicht.
Deshalb schlang er ihr den Arm um die Schultern und zog sie in eine Umarmung, die vor allem aus dem Grund ungeschickt war, weil Alaric Wulf es nicht gewöhnt war, Leute zu umarmen. Er war einfach nicht besonders gut darin.
»Ist schon gut«, sagte er beruhigend und streichelte ihr über die Haare. Die feinen Strähnen, ein bisschen rau von all der Farbe, mit der ihre Freundin Leisha experimentiert hatte, waren warm von der Sonne. »Was auch immer es ist, es wird alles gut.«
Endlich schien sie zu merken, was er tat. Sie versuchte nicht mehr, sich loszureißen, sondern entspannte sich in seinen Armen. Etwas Warmes, Nasses tropfte über seinen Hals, und er stellte erschreckt fest, dass es ihre Tränen waren.
»Das glaube ich nicht, Alaric«, flüsterte sie. »Das glaube ich wirklich nicht. Dieses Mal nicht.«
Er wusste nicht, was er tun sollte. Er hatte sich so daran gewöhnt, dass sie ihm die kalte Schulter zeigte, weshalb
es ihn ein wenig nervös machte, wie sie sich jetzt an ihn schmiegte. Beinahe wären ihm ihre feindlichen Blicke und ihr Sarkasmus lieber gewesen. Alles war besser als Tränen. Hunderte von Frauen hatten vor ihm Tränen vergossen, und es hatte ihn nie gestört.
Aber das hier war furchtbar.
Er zog sie fester an sich und sagte lahm: »So schlimm kann es doch nicht sein.« Er hätte sich selbst vors Schienbein treten können. Natürlich konnte es so schlimm sein. Was wusste er denn schon?
Ein Polizeiwagen hielt neben ihnen. Ein Polizist stieg aus und ging nach hinten, um einer überraschend großen und bunt gekleideten – jedenfalls für New Jersey – Drag Queen die Tür aufzumachen.
»Meine Liebe«, sagte die Drag Queen zu Meena, als der Polizeibeamte sie zum Gebäude führte, »verwahr mir ein Stück Arsch
Weitere Kostenlose Bücher