Endless: Roman (German Edition)
sind. Allerdings dauert es noch ein bisschen, bis ich dort sein kann, weil ich zuerst duschen und dann noch mit dem Zug fahren muss. Aber um neun Uhr bin ich bestimmt da. Und dann treffen wir uns dort, ja? Und lassen Sie das Baby bei Davids Schwester.«
»Nun«, erwiderte Mrs Delmonico verblüfft. »Ich … ja. Danke, Meena. Das ist sehr … nett von dir.«
Schuldbewusst legte Meena den Hörer auf.
Sie war nicht nett. Sie hatte keine andere Wahl. Sie war die letzte Person, die David Delmonico lebend gesehen hatte.
Und sie hatte versucht, das Leben seiner Frau zu retten.
Aber anscheinend war es ihr nicht gelungen. Sie konnte einfach nicht verstehen, wie … Und jetzt musste sie sich Sorgen um das Leben von Davids Eltern und seines Babys machen. Wer wusste schon, wo Brianna Delmonico war?
Meena wollte nicht das Risiko eingehen, dass Brianna vielleicht zum Frühstück in ihr Haus zurückkam. Die Delmonicos mussten unbedingt dort verschwinden.
Wenn sie das Unrecht wiedergutmachen wollte, das sie am Abend zuvor begangen hatte, hatte sie eine Menge zu tun.
Als sie jedoch zur Polizeiwache kam, an der sie sich mit den Delmonicos verabredet hatte, sah sie, dass ihre karmische Bestrafung noch schlimmer ausfiel, als sie vorausgesehen hatte.
Denn vor der Polizeiwache wartete die letzte Person auf der Welt auf sie, die sie jetzt sehen wollte.
Alaric Wulf.
8
»Was machst du denn hier?«, wollte Meena wissen.
Alaric hielt ihr einen Kaffeebecher hin. »Ich dachte, du brauchst vielleicht einen.«
In Wahrheit aber brauchte er einen Kaffee. Vor allem, seitdem er den Schal gesehen hatte.
»Ich habe Abraham angerufen, nicht dich«, erwiderte sie unfreundlich.
»Das weiß ich«, sagte er. »Möchtest du nun einen Kaffee oder nicht?«
Sie blickte auf den Becher. »Mit Milch?«
Sie hatte eine Sonnenbrille auf, damit er ihre Augen nicht sehen konnte. Ihrer Stimme nach zu urteilen hatte sie geweint.
»Ich glaube, mittlerweile weiß ich, wie du deinen Kaffee trinkst«, entgegnete er steif.
Sie nahm den Becher entgegen. »Danke«, grummelte sie.
Schweigend standen sie vor der Wache, tranken Kaffee und beobachteten die Einwohner von Freewell, die auf ihrem Weg zur Arbeit … oder wohin sonst auch immer … vorbeifuhren.
Die Polizeiwache war ein ziemlich neues Gebäude, umgeben von Rasenflächen mit frisch gepflanzten Bäumen. Vögel zwitscherten in den Baumkronen, und Alaric dachte
darüber nach, dass sie nichts von dem Unheil über ihren Köpfen ahnten. Ein Eichhörnchen auf der Suche nach Nüssen huschte vorbei.
»Willst du mir erzählen, was los ist«, fragte Alaric, »oder soll ich raten?«
»Es ist nicht so, wie du denkst«, antwortete Meena.
»Ich dachte, du könntest nur vorhersagen, wann Leute sterben, nicht, was sie denken.«
»Es ist nicht besonders schwierig, deine Gedanken zu lesen, Alaric«, erwiderte sie.
Das hatte gesessen. »Nun, deine zufällig auch nicht. Als du das letzte Mal einen Schal um den Hals getragen hast, habe ich beinahe ein Bein verloren. Deshalb würde ich jetzt ein bisschen Aufrichtigkeit zu schätzen wissen, ich gehe nämlich gerne von Zeit zu Zeit spazieren.«
Ihre Wangen färbten sich beinahe so rosa wie der Schal.
»Na gut«, sagte sie und setzte ihre Brille ab. Ihre dunklen Augen, die sie sorgfältig geschminkt hatte, waren vom Weinen gerötet. »Ja, ich bin letzte Nacht gebissen worden. Aber dieses Mal nicht von Lucien, Alaric, ich schwöre es.«
Der Boden schwankte unter ihm. Er verstand das gar nicht, denn trotz seines Einwands, dass sie so schnell wie möglich nach Freewell fahren sollten, hatte Abraham ihn noch in ein Fastfood-Drive-in geschleppt, weil er gemeint hatte, das Frühstück sei die wichtigste Mahlzeit des Tages und sie bräuchten Protein.
Jetzt war Alaric froh darüber, auch wenn das »McMuffin«, das er zu sich genommen hatte, ihm wie ein Stein im Magen lag.
»Unmöglich«, sagte er zu ihr. »Wir haben seit sechs Monaten keinen Vampir mehr in Manhattan – in ganz Nordamerika – gesehen. Wir haben alle Dracul getötet. Das weißt du doch. Du warst dabei.«
»Das war aber kein Dracul«, wendete sie ein.
Verwirrt schüttelte Alaric den Kopf. »Aber über einen anderen Clan wurde noch nie berichtet und …«
»Nun, dann muss jemand den Zoll informieren. Gestern Abend hatte ich nämlich eine sehr nahe Begegnung mit einem illegalen Einwanderer mit Fangzähnen.«
»Warum hast du denn erst heute Morgen angerufen?«, wollte Alaric wissen. »Was ist denn
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