Endless: Roman (German Edition)
mir zu, Yalena«, sagte sie mit leiser, ernster Stimme. »Ich möchte, dass du mit Jon ins Krankenhaus fährst. Weiche nicht von seiner Seite. Wenn dich jemand fragt, sag, du bist mit ihm verwandt. Sag ihnen, du seist seine Schwester.«
Yalena nickte. »Ja, das mache ich.«
»Sie ist nicht meine Schwester«, kicherte Jon. »Das wäre ja eklig.«
Offensichtlich war er durch den starken Blutverlust nicht mehr ganz bei sich.
»Halt den Mund, Jon«, wies Meena ihn zurecht. Zu Yalena sagte sie: »Ruf Schwester Gertrude und Bruder Bernard an. Sonst niemanden. Sie sind die Einzigen, denen wir vertrauen können.«
Yalenas Augen weiteten sich, doch sie nickte. »Ich habe beide heute Morgen erst gesehen. Sie haben darüber geredet, wie … wie seltsam gestern Abend im Metropolitan Museum of Art alles war.«
»Das ist ein gutes Zeichen«, entgegnete Meena. »Sag ihnen, ich kann Alaric nicht finden.«
»Erzähl Alaric vom SuperStaker«, sagte Jon. »Das Vampirtöten erreicht dadurch eine völlig neue Dimension.«
Meena legte Jon den Finger auf die Lippen. »Ruf auch Adam Weinberg an«, bat sie Yalena und reichte ihr Jack Bauers Leine. »Das ist Jons Freund. Du findest seine Nummer auf Jons Handy. Er kommt hierher und holt Jack.«
Yalena hatte die ganze Zeit über schon ängstlich ausgesehen, aber jetzt wirkte sie völlig verschreckt.
»Warte mal«, sagte sie. »Jack? Jack Bauer? Du nimmst ihn nicht mit? Aber … du nimmst ihn doch überallhin mit.«
»Nicht dort, wo ich hingehe«, erwiderte Meena. »Das ist zu gefährlich für ihn.«
»Meena« – Yalena ergriff Meenas Handgelenk –, »wohin gehst du?«
Meena blickte zu dem Fenster, durch das Brianna verschwunden war.
»Ich tue meine Arbeit«, sagte sie.
30
Früher einmal, als Meena noch Drehbücher für die Soap Opera Eternity geschrieben hatte, hatte sie gelesen, dass es unter New York City ein Netz von Höhlen, Tunnels und unterirdischen Gängen gab, die so alt waren, dass sich niemand mehr daran erinnerte. Es war ein Wunder, dass die Stadt nicht schon längst eingestürzt war.
Und wenn man bedachte, dass sie mitten auf einer Spannungslinie saß, würde das vielleicht eines Tages noch passieren.
Als sie durch das Fenster schlüpfte, durch das Brianna verschwunden war – die Polizisten waren kurzfristig abgelenkt gewesen, weil die drei Männer aus dem Café nach hinten in die Gasse gekommen waren und beim Anblick des Toten und von Jons Verletzungen sofort angefangen hatten zu würgen –, stellte sie fest, dass sie sich in einem dieser unterirdischen Gewölbe befand. Es erschien sich fast über den ganzen Block zu erstrecken, unterbrochen nur von Stützsäulen aus Metall und Metallkäfigen, in denen sich die Habseligkeiten irgendeines Bewohners von oben befanden.
Ein perfekter Aufenthaltsort für Vampire, da das einzige Licht ab und zu ein Sonnenstrahl war, der durch ein Fenster auf Straßenhöhe drang.
Obwohl es dunkel war, war es nicht schwer, Briannas Spur zu folgen. Der SuperStaker hatte sie so schwer verletzt, dass sie einen leichten Brandgeruch hinterlassen hatte.
Meena verlor jedoch schnell die Orientierung, während sie sich durch das riesige Labyrinth bewegte. Sie hörte – und spürte – die Subway ganz in der Nähe vorbeirumpeln, doch sie hatte keine Ahnung, unter welcher Straße sie sich gerade befand. Sie fröstelte und hatte Gänsehaut, aber da sie ihr Sweatshirt bei Jon gelassen hatte, konnte sie nichts dagegen tun.
Mit klopfendem Herzen zog sie den SuperStaker heraus. Was machte sie hier eigentlich? Was wollte sie mit Brianna machen, wenn sie sie fand? Sie verhören? Selbst wenn Brianna wusste, wer David und sie verwandelt hatte, dann würde Meena sie wahrscheinlich foltern müssen, um ihr die Antworten zu entlocken. Und letztendlich würde sie sie doch töten müssen.
Und Meena war sich nicht sicher, ob sie es aushalten würde, an diesem Wochenende ein weiteres Mitglied der Familie Delmonico zu töten, auch wenn es so wild war wie Brianna.
So hatte sie sich das alles nicht vorgestellt, als sie den Arbeitsvertrag bei der Geheimen Garde unterschrieben hatte. Sie hatte gedacht, sie würde Leben retten und die Welt verbessern. Stattdessen erwiesen sich Menschen, die sie für ihre Freunde gehalten hatte, als Feinde, und die Menschen, die sie liebte, wurden verwundet oder verschwanden.
Und nichts, was sie sagte oder tat, änderte daran etwas.
Es war fast das Gegenteil von dem, was die Frau in ihrem Traum dem kleinen Jungen
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