Endless: Roman (German Edition)
versichert hatte. Es mochte ja tatsächlich so sein, dass alle Geschöpfe Gottes die Wahl zwischen Gut und Böse hatten, aber bis jetzt war Meena nur sehr wenigen begegnet, die sich für das Gute entschieden hatten …
Manchmal wünschte sie, sie würde das normale, langweilige Leben führen, das ihre Eltern sich immer für sie vorgestellt hatten, ein Leben, wie es Millionen anderer Menschen führten, die über ihrem Kopf herumliefen und das Straßenfest genossen.
Sie hatten keine prophetischen Träume (die anscheinend sowieso nicht so prophetisch zu sein schienen).
Sie adoptierten keine Hunde, die Vampire riechen konnten.
Sie verloren nicht ihre Jobs (zweimal sogar), weil der Typ, mit dem sie ausgingen, sich als Fürst der Finsternis entpuppte.
Sie lebten nicht in Wohnungen, die verwüstet wurden, ihre Freunde und Familien wurden nicht terrorisiert und ihre Leben zerstört, nur weil sie sich in den falschen Mann verliebt hatten.
Andererseits konnten sie aber auch nicht voraussagen, wie jemand sterben würde … eine ganz nützliche Fähigkeit eigentlich, wenn sie sie auch auf sich anwenden könnte.
Während sie nämlich um eine besonders dunkle Ecke schlich, fühlte sie plötzlich, dass sie in eine Falle lief. Beinahe konnte sie den Blick von jemandem auf sich spüren … und zwar mit einer Intensität, die ihr nur zu vertraut war.
Das konnte nur eines bedeuten.
Als sie plötzlich an der rechten Seite ein eiskalter Windstoß traf, brauchte sie noch nicht einmal den Kopf zu drehen. Sie wusste, wer es war.
»Lucien«, setzte sie an, »nicht …«
Sie hätte sich doch besser umgeschaut.
Das Letzte, was sie sah, bevor sie fest mit dem Kopf an etwas schlug, war Brianna Delmonicos blutverschmiertes Gesicht mit gefletschten Fangzähnen.
31
Meena war sich nicht sicher, was sie verstörender finden sollte: dass sie die mordlustige Frau ihres Exfreundes unter den Straßen von Manhattan mit einem Haartrockner gejagt hatte oder dass ein weiterer ihrer Exfreunde sie vor dieser Person, die sie bewusstlos geschlagen hatte, gerettet hatte.
Letzteres war vielleicht noch schlimmer.
»Lucien«, hörte sie sich mit einer Stimme fragen, die nicht zu ihr zu gehören schien, »was ist passiert?«
»Es war meine Schuld«, antwortete er, die dunklen Augen fest auf sie gerichtet. »Aber jetzt bist du in Sicherheit.«
Sie versuchte sich aufzusetzen, sank jedoch gegen etwas Weiches zurück, als eine Welle des Schmerzes sie überflutete.
»Schscht«, sagte er und drückte ihr einen kühlen Lappen auf die Stirn. »Du hast dir den Kopf am Beton gestoßen, als diese Frau dich angegriffen hat. Du brauchst dir aber keine Sorgen mehr zu machen. Sie wird niemandem mehr etwas tun.«
Meena wollte ihn lieber nicht nach Einzelheiten fragen. Es gelang ihr, sich aufzusetzen, doch als sie sich umblickte, verlor sie beinahe erneut das Bewusstsein. Nur dieses Mal vor Schock.
Sie konnte es nicht glauben. Sie war in einer Höhle. In einer Höhle!
Mit Lucien.
Sie hatte geglaubt, dass unterirdische Verstecke für Milliardäre nur in Romanen vorkamen. Anscheinend hatte Lucien sich jedoch direkt unter den Straßen Manhattans ein Luxusversteck geschaffen und sich so eingerichtet, wie es einem fünfhundert Jahre alten europäischen Vampir eben gefiel. Alles war aus Leder oder antik, mit Ausnahme von Lucien selbst. Er betrachtete sie besorgt, während sie ausgestreckt auf einer Couch lag, die sowohl aus Leder als auch antik war.
Wenn ein Butler gekommen wäre und ihr Tee angeboten hätte, wäre sie nicht überrascht gewesen.
»Was ist das hier?«, fragte sie und musterte ihn misstrauisch.
Hoffentlich waren sie überhaupt noch in Manhattan, dachte sie. Panisch griff sie nach dem SuperStaker.
Sie entspannte sich ein bisschen, als sie sah, dass er in ihrer Tasche steckte. Sie stand neben der Couch auf dem Steinboden, der sich zu einem braunen Rinnsal neigte.
»So misstrauisch.« Lucien grinste. Natürlich wusste er nicht, was in der Tasche war. Er hielt den SuperStaker wahrscheinlich für einen Haartrockner.
»Ehrlich, Lucien, nach dem, was du gestern Abend mit mir vorhattest, habe ich alles Recht dazu, misstrauisch zu sein«, sagte Meena erschöpft.
Er saß auf einer Ledertruhe neben der Couch. Wie immer sah er unglaublich gut aus. Die Verbrennungen, die er gestern Abend wahrscheinlich davongetragen hatte, waren
verheilt. Es gehörte zu seinen Superkräften, dass Wunden sofort bei ihm heilten.
Meenas Kopf pochte so sehr, dass sie kaum
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