Endlich Endzeit - ein Baden-Württemberg-Krimi
ohne dass es Susanne bemerkt hatte – die Aufnahmen würde er noch heute Abend seiner Auftraggeberin nach Freiburg mailen.
Schwatzend und kichernd erreichten sie den neuen Zeltplatz. Spitzer lief ein paar Meter entfernt auf und ab, das Handy am Ohr.
»Ja«, sagte er, »natürlich bleibt’s dabei, Christa. Aber heute brauchst du noch nicht zu kommen. Die Leute sind noch ganz aufgeregt wegen dem Mord, und seit gestern hatten wir alle Hände voll damit zu tun, ein neues Zeltlager aufzubauen – das alte hat die Polizei gesperrt. Und jetzt wollen wir heute mal den ersten Abend am Lagerfeuer verbringen. Ach so, noch was für dich, Christa: Wie gesagt – die Polizei lässt uns nicht mehr ins erste Zeltlager. Das heißt, dass dein … äh … Spielzeug dort noch im Zelt liegt. Du musst morgen halt das Nötigste noch einmal mitbringen, okay?«
Er hörte kurz zu.
»Ja, Christa, ich weiß, du bekommst das auch alles wieder. Aber jetzt gerade ist es halt nicht greifbar, da kann ich auch nichts machen. Du wirst schon noch ein paar Sachen in petto haben, oder? Und im Grunde genommen …« – er senkte die Stimme ein wenig und grinste anzüglich – »… hast du ja immer sozusagen alles, was du wirklich brauchst, ›am Mann‹, nicht wahr?«
Er kicherte, wurde, als die Stimme im Handy etwas lauter antwortete, wieder ernst und verabschiedete sich schließlich knapp.
Sam und Susanne gingen an Spitzer vorbei, als hätten sie nichts von seinem Telefonat mitbekommen, und vermieden es, ihn anzusehen. Aber Sam konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, denn er hatte den Verdacht, dass sich hinter dieser Christa jene Larissa verbarg, die ihm als alleinstehendem männlichen Teilnehmer im Begrüßungsschreiben angeboten worden war.
Das Lagerfeuer prasselte, die Flammen züngelten im Wind hin und her und tauchten die vorderen Zelte in ein warmes, unruhiges Licht. Spitzer hatte einen tragbaren CD-Player mitgebracht und eine sogenannte Weltmusik eingelegt, die den Werbesprüchen auf dem Cover zufolge traditionelle Klänge der Maya nachempfand. Die meist beruhigenden Melodien zu Percussion verliehen dem Treffen tatsächlich eine besondere Note, ansonsten war Gemurmel und manchmal Gelächter zu hören, wie man es auch sonst von Versammlungen an einem Lagerfeuer kannte.
Einige Anwesende hatten sich das Gesicht mit Fingerfarben bemalt, die meisten hatten sich noch dicke Wolldecken umgelegt, und einige streckten die klammen Finger in Richtung der Flammen, um sich etwas aufzuwärmen. Roman Flaatz und Karin Tobel saßen dicht beieinander und tuschelten. Susanne und Sam teilten sich eine Decke, prosteten sich mit Glühwein zu und schauten immer wieder zu dem anderen Paar hinüber, woraufhin sie sich meistens leicht anstießen und kicherten. Der Glühwein zeigte bereits Wirkung.
Carola Kristensen hockte im Schneidersitz auf ihrem zusammengelegten Schlafsack und nickte, als die CD zu Ende war, einem Endvierziger mit dünnem Haar zu, der daraufhin sofort aufstand und wenig später mit einer Gitarre zu seinem Platz zurückkehrte. Robert Glienecke zupfte ein wenig herum, stimmte die Saiten nach, dann hob er mit etwas näselnder Stimme an zu singen und schrammelte dazu unsauber gegriffene Akkorde.
Einige der Anwesenden brummten den Refrain von »We shall overcome« halblaut mit, Kristensen schwieg und schloss die Augen – sie mochte die Protestsongs von Joan Baez nicht allzu sehr, aber als Glienecke danach »El condor pasa« anstimmte, um sich zumindest örtlich ein wenig den Mayas anzunähern, seufzte sie leise und nahm einen großen Schluck Glühwein. Man musste mit dem vorlieb nehmen, was zu bekommen war.
Lena Lohrmann und Kai Hummel standen am offenen Fenster und schauten lächelnd zum Zeltlager hinunter. Sie pafften an ihren Selbstgedrehten, genossen den würzigen Duft nach Tannennadeln, der sie einhüllte, und lauschten der Musik vom Lagerfeuer. Eine schöne Stimmung lag über dem Zeltplatz, und die beiden freuten sich schon auf die kommenden Abende – wenn diese Maya-Freaks jeden Tag hier mit Musik und Glühwein ausklingen ließen, konnte das ein richtig netter Dezember werden.
Da fiel Lena ein Mann auf, der sich vom Waldrand her näherte, sich immer ein paar Schritte auf ihr Haus und die daneben aufgebauten Zelte zubewegte, dann wieder stehenblieb, sich nach allen Seiten umsah, zögerte, wieder ein paar Meter näherkam, wieder stehenblieb.
»Schau mal, Kai«, sagte sie und deutete auf den Mann. »Da kommt Arnie, Meiers Mann fürs
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