Endlich geborgen
gefällt es dir nicht, was ich herausfinde.”
„Dessen bin ich sicher.” Gabriel warf einen Blick zum Haus und sah, wie die beiden Frauen auf die Veranda traten, als er wiederholte: „Dessen bin ich sicher.”
Melanie dachte, man könnte Mildreds Schlafzimmer am Besten mit „schlicht” beschreiben.
Der Quilt auf ihrem Bett war handgenäht, in Braun-und Grüntönen, die Wände in Blassgrau und der alte Flechtteppich in verschiedenen gedeckten Farben gehalten.
Tatsächlich war das gesamte Haus nicht gerade heiter zu nennen, aber es schien, als hätte die alte Frau absichtlich gerade diesen Raum, ihren Schlafraum, jeder heiteren Note beraubt.
Melanie dachte an die Gespräche, die sie mit der alten Frau geführt hatte. Sie hatte nicht so unfreundlich gewirkt, wie Gabriel sie dargestellt hatte. Und wenn der Kontakt auch nur telefonisch gewesen war, so hatten die beiden Frauen doch eine Art Freundschaft gepflegt, und Mildred hatte niemals versäumt, sich nach Kevin zu erkundigen. Melanie bedauerte es, diese Frau nie getroffen zu haben.
Melanie öffnete den Schrank, und der Duft nach Zedernholz und altem Leder stieg ihr in die Nase. Überrascht stellte sie fest, dass es sich um einen begehbaren Schrank handelte. Sie zog an der Kette für die Deckenlampe, und Licht fiel auf die sorgfältig aufgehängten Kleider.
Die Farblosigkeit des Hauses schien sich auch auf Mildreds Garderobe erstreckt zu haben. Sie durchzusehen, dürfte nicht lange dauern, dachte Melanie. Eine Stunde, höchstens.
Und dann stand ihr eine lange Nacht bevor.
Allein.
Die Sonne war bereits untergegangen, und es wurde dunkel, als Gabriel vor dem Witherspoonhaus hielt. Die Luft war angenehm warm, und es roch nach frisch gepflügter Erde.
Er stieg aus seinem Wagen und betrachtete einen Moment das dunkle Haus, ehe er leise rief: „Melanie?”
Er wartete auf ihre Antwort, doch alles blieb still. Er hatte sie in der Küche vermutet, doch ohne Kevin würde sie vielleicht kein Abendessen vorbereiten.
Leise schloss er die Tür auf und trat ins Haus.
„Melanie?”
Es war beinahe dunkel im Haus, aber nirgendwo brannte ein Licht. Vielleicht war sie eingeschlafen. Sie arbeitete schwer genug.
Während er die Treppe hinaufstieg, rief er noch einmal nach ihr -keine Antwort. Besorgnis erfasste ihn. Vielleicht fühlte sie sich nicht gut, oder sie hatte sich verletzt. Oder vielleicht war jemand …
Gütiger Himmel!
Er nahm drei Stufen auf einmal. „Melanie!”
„Ich bin hier!” hörte er ihre erstickte Stimme.
Erleichterung durchströmte ihn, und er betrat das letzte Schlafzimmer. Ein kleiner Lichtschein drang aus dem Schrank. Er spähte hinein. Sie kniete auf dem Boden, in Jogginghose und T-Shirt, das Haar hochge steckt.
Sie sah ihn an. „Du hast mich erschreckt. Warum schreist du so?”
Sie war von Schreibheften umgeben, und in einer großen Schachtel neben ihr lagen noch mehr davon. Sein Herz klopfte noch immer wie rasend, aber er lehnte sich äußerlich gelassen an den Türrahmen. „Was machst du da?”
Sie strahlte ihn an. „Ach, Gabriel, du wirst es nicht glauben. Es ist ganz erstaunlich.”
„Was?” Er hockte sich neben sie. Sie roch nach Seife und Blumen, und er widerstand dem Bedürfnis, sich vorzubeugen und ihren Duft tief einzuatmen.
„Mildreds Tagebücher. Von ihrem vierzehnten Lebensjahr an bis zur Nacht ihres Todes.
Nachdem ich diese hier gefunden hatte, habe ich ihren Nachtschrank durchsucht und den letzten Band in der Schublade dort gefunden.”
„Die alte Lady Witherspoon hat Tagebuch geführt?” Gabriel nahm eines der Bücher und betrachtete es. „Worüber hatte sie schreiben wollen?”
„Über ihre Gedanken, ihre Gefühle”, sagte Melanie atemlos. „Was sie jeden Tag getan hat, von Bloomfield und seinen Bewohnern. Kennst du einen Mann namens Robert Carper?”
„Klar. Er war der Geschäftsführer von ,Winkies Market’. Vor mindestens zehn Jahren hat er sich zur Ruhe gesetzt. Wieso?”
„Mildred hatte eine Schwäche für ihn. Sie meinte, er erinnerte sie an Clark Gable.”
Clark Gable? Nun, Bob hatte große Ohren, aber weitere Ähnlichkeiten waren Gabriel nie aufgefallen. „Kaum zu glauben. Ich war damals noch ein Kind, vielleicht vierzehn, und arbeitete dort als Packer. Ehe Mildred sich ihre Lebensmittel liefern ließ, kam sie zwei Mal die Woche dorthin und hatte sich immer über etwas zu beklagen.”
„Das war, damit sie mit ihm reden konnte”, erklärte Melanie. „Sie schrieb, er verursachte ihr
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